Iris Weidl Iris Weidl

Dynamische Preissysteme für die Weiterbildung

Iris Weidl

Für die Preisgestaltung offener Seminare könnten wir in der Weiterbildung viel von der Touristikbranche lernen. Welche Chancen und Risiken eine
solche dynamische Preispolitik bieten kann, möchten wir Ihnen mit der hier beginnenden Artikelserie aufzeigen.

Betrachten wir die lange Geschichte von dynamischen Preissystemen in der Touristikbranche: Erforderlich wurde die neue Preispolitik in den 70iger Jahren in den USA, als dort die staatliche Regulierung der Flugpreise aufgehoben wurde und die Fluggesellschaften sich mit der freien Marktwirtschaft auseinandersetzen mussten. Plötzlich brauchte man Antworten auf die Fragen: Wie setzen wir uns gegen Mitbewerber durch? Wie bekommen wir die Flugzeuge voll? Und zu welchem Preis müssen wir wie viele Sitze verkaufen, damit wir nicht nur kostendeckend, sondern auch gewinnbringend fliegen können? Die Antworten auf diese Fragen lieferten komplexe Programme zur Datenverarbeitung, Statistiken, Forecast-Daten und div. Analysen. Die Fluggesellschaften nahmen die Herausforderung an und starteten erfolgreich durch, trotz - oder gerade wegen - der freien Marktwirtschaft und den Mitbewerbern.

Weitere Branchen ließen nicht lange auf sich warten. Busreiseveranstalter in den USA, wie die Greyhound-Gruppe folgten ihrem Beispiel. Die Touristikbranche generell und weltweit zog nach.

Nun wäre es möglich, dass auch die Weiterbildungsbranche von diesen Branchen hinsichtlich der Preisgestaltung und dem kreativem Umgang mit dem Faktor Geld lernt und die Vorteile einer dynamischen Preispolitik nutzt. Wer aus den Erfahrungen der anderen Branchen lernt, kann auch die dort bekannten Risiken von vorn herein ausschalten, mindestens aber minimieren.

Dynamische Preispolitik ist etwas Selbstverständliches geworden

Hand aufs Herz: Sie selbst buchen doch auch hin und wieder, oder sogar häufiger einen Zug, einen Flug oder ein Hotelzimmer und achten dabei auf bestimmte Angebote, Preise und Leistungen. Für Sie, genauso wie für viele andere Menschen gilt dabei: Das Ritual von Preisvergleich im Internet, Information über die enthaltene Leistungen und die damit verbundenen Bedingungen, die Sie als Bucher oder Kunde erfüllen müssen, sind eine Selbstverständlichkeit.
Wir buchen einen Angebotspreis, den wir nicht mehr stornieren können bei German Wings, weil wir wissen, dass unsere Reiseplanung fest steht und wir nicht stornieren oder umbuchen müssen. Oder wir buchen lieber etwas teuerer bei der Lufthansa, weil wir damit die doppelten Miles & More-Punkte sammeln und gegebenenfalls umbuchen oder stornieren können.

Wir buchen frühzeitig einen Spezialpreis bei der Bahn mit Zugbindung, wenn wir wissen, dass wir genau zu dieser Zeit mit diesem Zug fahren werden, oder wir buchen den regulären Ticketpreis, wenn wir doch lieber die Möglichkeit frei halten wollen, nicht nur den Zug, sondern auch den Reisetag nochmals zu ändern.
Sie merken: Die dynamische Preispolitik ist schon lange nicht mehr nur in der Touristikbranche gang und gäbe. Spätestens seit dem Bericht vom „Stern“ wissen wir, dass auch die Tankstellen die Spritpreise im Wochenrhythmus und sogar manchmal selbst mehrmals am Tag rauf und runter kurbeln. Nicht nur die Weltkonzernen und die Tourismusbranche arbeiten mit mehreren Preiskategorien. Auch Dienstleistungsunternehmen, wie Reinigungen nutzen bereits das Prinzip. Meine Reinigung z.B. belohnt die „Frühen Vögel“: Wer seine Hemden morgens zwischen 8 bis 10 Uhr in die Reinigung bringt, bekommt einen Preisvorteil. Bei Ihnen um die Ecke ist es vielleicht der Frisör, der besondere Preise für besondere Tageszeiten anbietet.

Die Kundenakzeptanz nutzen

Das gute daran ist, dass die Akzeptanz solcher Preisgestaltungen mittlerweile sehr hoch ist. Wir selbst nehmen diese Preise und die damit verbundenen Bedingungen mehrmals täglich bei unseren Einkäufen, oder ab und zu bei unserer Reiseplanungen oder Urlaubsbuchungen selbst verständlich an. Oft machen wir uns darüber nicht einmal mehr Gedanken.

Die Tatsache, dass Saisonpreise, Vorkasse mit Kreditkarten und Preise, die an zeitliche Bedingungen etc. gekoppelt sind, heute überall angeboten und selbstverständlich von den Käufern und Kunden angenommen werden, lässt sich auch für die Seminarpreise nutzen.

Buchhungsverhalten der Kunden durch eine dynamische Preispolitik steuern

Über den Preis verkaufen ist nicht nur unklug, sondern schadet uns langfristig gesehen selbst am meisten! Aber: Wenn wir eine differenzierte Preispolitik betreiben, verkaufen wir nicht über den Preis. Frühbucherpreise, Gruppenpreise oder andere spezifischen Preise nutzen wir dann, um das Buchhungsverhalten unserer Kunden zu steuern und unsere Ressourcen auszulasten oder andere Ziele damit zu erreichen.

Betrachten wir dazu den Buchungsprozess für ein Bahnticket: Wann wird die Entscheidung getroffen, eine Bahnfahrt zu buchen? Normalerweise dann, wenn wir z.B. einen Reiseanlass, ein Reiseziel und ein Reisedatum haben. Als erstes werden wir i.d.R. entscheiden, ob wir mit einem Mietwagen, dem eigenen PKW, der Bahn oder dem Flugzeug reisen. Dabei orientieren wir uns bei der Entscheidungsfindung i.d.R. an Kriterien wie Zeit, Aufwand, Komfort, Risiko, Preis und Gewohnheiten, etc.

Bei einer Reise von Stuttgart nach Köln ist eine Bahnfahrt eine gute Alternative, da diese Strecke bei den heutigen Straßenverhältnissen mit einem PKW niemals in 2 h 15 min, wie mit der Bahn, bewältig werden kann. Zu dem Zeitvorteil kommt, dass die Anfahrt entspannter erfolgen und die Zeit im Zug noch zur Arbeit genutzt werden kann. Sofern keine sich negativ auswirkenden Kriterien (z.B. Verspätungsbefürchtung, Streikwarnungen, Transport weiterer Personen oder Gegenstände, etc.) vorliegen, ist die Vor-Entscheidung über das Reisemittel gefällt. Der Preis spielte bisher keine Rolle!

Erst jetzt erkundigt sich der Reisende über Verbindung und Fahrpreis. Der Sonderpreis, von zum Beispiel 29 Euro ist also nicht ausschlaggebend für die Planung von Stuttgart nach Köln zu fahren und auch nicht ausschlaggebend, um mit dem Zug anzureisen. Der angebotene Sonderpreis der Bahn ist stattdessen ein wirksames Mittel, die Grundauslastung der Kapazitäten sicherzustellen. Zudem befriedigt er das Bedürfnis nach Wahlfreiheit (zwischen zwei Alternativen) und vielleicht noch den „Jagdtrieb“ der „Schnäppchenjäger“.

Dieses schöne Beispiel denken Sie doch jetzt mal um auf Ihre eigenen Seminare und Ihre Preispolitik. Auch die Entscheidung, ob eine Weiterbildungsmaßnahme, und wenn ja, mit welchem Thema, in Frage kommt, wird vor der eigentlichen Kaufentscheidung getroffen. Die geschilderten Prinzipien dürften ähnlich sein.

Wann starten Sie durch?

Wenn Sie sich für eine differenzierte Preispolitik entscheiden, gehören Sie nicht zu den ersten. Andere Branchen und auch Kollegen, machen es schon. Sie können von ihnen lernen. Es lohnt sich aber gerade bei den offenen Seminaren, sich damit zu beschäftigen. Denn die Vorteile sind ganz auf Ihrer Seite. Sie werden so z.B. zukünftig nicht mehr in Begründungsnot geraten, warum der eine Seminarteilnehmer ein paar hundert Euro mehr als der andere bezahlen musste. Ferner haben Sie einen weiteren Grund, warum Sie Ihre Werbemails noch einmal an Ihren Verteiler versenden dürfen, ohne zu nerven: „Die Frühbucherphase ist vorbei, liebe Kunden. Nun könnt Ihr Euch ganz normal anmelden.“ (Natürlich mit Aufpreis und zum Normaltarif.)
Iris Weidl, Jg. 1970, kam über einen Ferienjob zur Hotellerie, die sie seither nicht mehr los ließ. Nach vier Jahren Tätigkeit im Revenue Management, ist sie seit 2005 selbstständig in den Bereichen Training und Beratung. Mit der neuen Dienstleistung für Trainer und Hotels möchte Sie für alle beteiligten Parteien eine Win-Win-Situation schaffen.

 

Kontakt: www.mareve-management.de

(Artikel aus der Fachzeitschrift "Trainer-Kontakt-Brief", Ausgabe Nr. 70 - 5/2010)

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