Markus Brand und Frauke Ion

Gleichbehandlung ist nicht gleiche Behandlung

Markus Brand und Frauke Ion

Ein zentraler Leitsatz für viele Führungskräfte lautet: „Behandele andere so, wie du selbst behandelt werden möchtest“. Dabei wird jedoch vernachlässigt, dass sich jeder Mitarbeiter durch ganz spezifische Bedürfnisse auszeichnet, die nur selten mit denen der Führungskraft übereinstimmen. Nach dem Motto „Behandele andere so, wie sie behandelt werden möchten!“ können Führungskräfte in einem Training oder Coaching zur motivorientierten Mitarbeiterführung hingegen angeleitet werden, ein differenziertes Bewusstsein für die Individualität ihrer Mitarbeiter zu entwickeln und deren spezifische Stärken gezielter für den Teamerfolg zu nutzen.

Die theoretische Grundlage dieses Führungsansatzes bildet die Motivationspsychologie von Prof. Steven Reiss, der durch empirische Forschung insgesamt 16 Lebensmotive als zentrale Werte und Bedürfnisse des Menschen identifizierte.

Jedes Lebensmotiv stellt eine Kategorie eng verwandter Bedürfnisse dar, die Menschen auf unterschiedliche Art und Weise motivieren. Durch ein wissenschaftliches Testverfahren kann die individuelle Motivstruktur einer Person als sog. Reiss Profile sicht- und nutzbar gemacht werden.

Abb.: Beispielhaftes Reiss Profile

Die eigene Führungspersönlichkeit erfahren

Über eine Rückmeldung und Reflektion ihrer individuellen Lebensmotivstruktur erfahren die Teilnehmer einer Führungskräfteentwicklung einerseits, wie sie sich selbst im Alltag besser motivieren können. Andererseits erhalten sie wichtige Erkenntnisse über ihre Führungspersönlichkeit, da sich das Ausleben der eigenen Motivstruktur u. a. auf das Kommunikations- und Delegationsverhalten und damit auf zentrale Aspekte des Führungsstils auswirkt.

Beispiel: Besitzt ein Vorgesetzter ein hoch ausgeprägtes Ordnungs- und niedrig ausgeprägtes Anerkennungsmotiv, strebt er nach Organisation, Planung und Struktur, nicht aber nach sozialer Akzeptanz. Reflektiert die Führungskraft ihr Führungshandeln nicht, wird sie von ihren Mitarbeitern ausgehend von ihren eigenen Bedürfnissen, mit hoher Wahrscheinlichkeit ein äußerst strukturiertes Vorgehen erwarten, ihnen dafür aber nur wenig Anerkennung aussprechen.
 
Diese natürliche Tendenz, andere Personen gemäß der eigenen Wünsche und Interessen wahrzunehmen und zu behandeln, wird als Self Hugging bezeichnet. Über eine Auseinandersetzung mit den verschiedenen Lebensmotivausprägungen erfahren Führungskräfte, dass Andersartigkeit keine Bedrohung, sondern eine Bereicherung darstellt. Sie erhalten wertvolle Hinweise, wie sie die Unterschiedlichkeit in ihrem Team nicht nur respektieren, sondern auch leben können, so dass gemeinsame Höchstleistungen möglich
werden.

Motivausprägungen der Mitarbeiter erkennen

Grundlage jeder motivorientierten Mitarbeiterführung ist neben einer Kenntnis der eigenen Lebensmotive auch das Wissen über die Motivstrukturen der Mitarbeiter. Liegt kein ausgewertetes Reiss Profile vor, ist es die Aufgabe der Führungskraft, sich die Motive ihrer Mitarbeiter über Gespräche und Handlungsbeobachtungen zu erschließen.

Beispiel: Auf die Frage „Was hat Sie im letzten Monat zufrieden gemacht?“ wird ein Mitarbeiter mit einem hoch ausgeprägten Neugier- oder Machtmotiv ganz anders antworten als jemand, der dieses Lebensmotiv in seiner niedrigen Ausformung besitzt. Auch was und wie ein Mitarbeiter von seiner Familie und seinen Freizeitaktivitäten erzählt, lässt Rückschlüsse auf seine Lebensmotivausprägungen zu. Weiterhin kann auch die Organisation und Dekoration des Arbeitsplatzes Hinweise auf das Ordnungs-, Familien- oder Statusmotiv eines Mitarbeiters geben.

Natürlich können diese Schlussfolgerungen immer nur eine Annäherung an die wahren Bedürfnisse der Mitarbeiter darstellen. Je geschulter die Führungskräfte allerdings in der Einschätzung der Motivausprägungen sind, umso geringer ist die Gefahr von Beobachtungsfallen. Damit steigt die Chance, die Mitarbeiter über individuelle Maßnahmen zu motivieren und so ihre Leistung steigern zu können.

Passgenaue Kommunikations- und Handlungsweisen ableiten

Kern der motivorientierten Mitarbeiterführung ist die Ableitung und Anwendung individualisierter Handlungs- und Kommunikationsweisen. Denn nur über eine aktive und bedürfnisorientierte Gestaltung der Kommunikation, der Tätigkeiten und des Umfelds des Mitarbeiters kann die Führungskraft ihm eine Plattform bieten, auf der seine innere Motivation mit den vorgegebenen Zielen weitestgehend übereinstimmt.

Beispiel: Besitzt ein Mitarbeiter ein hoch ausgeprägtes Beziehungsmotiv, sollte seine Führungskraft versuchen, ihm eine Plattform für Leistung durch (informellen) Kontakt mit anderen bereitzustellen. Hierzu können auf der Handlungsebene teambildende Aufgaben übertragen werden, aber auch Tätigkeiten mit sozialen Kontakten wie z. B. Kundenbetreuung. Auf der Kommunikationsebene bietet es sich an, bewusst informelle Elemente zu verwenden („Wie war ihr Wochenende?“) und das Netzwerk des Mitarbeiters anzusprechen („Sie kennen doch bestimmt jemanden, der...?“).

Für alle 16 Lebensmotive und ihre verschiedenen Ausprägungen können unmittelbar praxisrelevante Handlungs- und Kommunikationsweisen abgeleitet und umgesetzt werden. Um unerwünschte Nebeneffekte zu vermeiden, sollten die Führungskräfte zusätzlich dafür sensibilisiert werden, bei der Auswahl motivorientierter Motivationsmaßnahmen immer ihre eigenen Lebensmotivausprägungen, die gesamte Motivkonstellation des Mitarbeiters, die Motivstruktur des Mitarbeiterteams sowie das betriebliche Umfeld zu berücksichtigen. Denn damit eine Maßnahme ihre volle Motivationswirkung entfalten kann, ist es von zentraler Bedeutung, dass sie z. B. nicht zu Neid oder Unverständnis bei einem Kollegen führt. Für eine nachhaltig motivierende und leistungssteigernde Mitarbeiterführung gilt also: Gleichbehandlung ist nicht gleiche Behandlung!

Literaturhinweise

  • Ion, Frauke; Brand, Markus: Motivorientiertes Führen: Führen auf Basis der 16 Lebensmotive nach Steven Reiss. Offenbach: GABAL 2009
  • Reiss, Steven: Das Reiss Profile: Die 16 Lebensmotive. Welche Werte und Bedürfnisse unserem Verhalten zugrunde liegen. Offenbach: GABAL 2009
  • Reiss, Steven: Wer bin ich und was will ich wirklich? Mit dem Reiss Profile die 16 Lebensmotive erkennen und nutzen. Offenbach: GABAL 2009

 

Die Autoren:

Als Coaching-, Trainings- und Beratungsinstitut bietet das Institut für Lebensmotive seit 2006 motivorientierte Maßnahmen auf der Basis des Reiss Profiles an. Die beiden Inhaber Frauke Ion und Markus Brand sind die Pioniere in Deutschland zu diesem Thema und unterstützen Menschen, Teams und Organisationen seit vielen Jahren dabei, ihre inneren Antreiber, Motive und Energielieferanten besser kennen zu lernen, diese zu reflektieren und in den wichtigsten Lebensbereichen zu nutzen. Frauke Ion ist seit 1988 als Consultant, Trainerin und Business-Coach tätig und lizenzierter Reiss Profile Master. Markus Brand ist Diplom-Psychologe, Trainer, Coach, Speaker und als Reiss Profile Master & Instructor qualifiziert, andere für die Nutzung des Reiss Profiles auszubilden.

Kontakt:

Institut für Lebensmotive
Bayenthalgürtel 40
50968 Köln
Tel.: +49-(0)221-66 99 99 22

info@institut-fuer-lebensmotive.de
www.institut-fuer-lebensmotive.de

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