Matthias Pöhm Matthias Pöhm

Trainer müssen so präsentieren können, dass ihnen die Zuhörer an den Lippen kleben. Rhetorik- und Schlagfertigkeitstrainer Matthias Pöhm zeigt, wie sich die Wirkungsschraube einfach und praktisch anziehen lässt, so dass das Publikum vor Begeisterung auf die Stühle steigt.

Am 28. Juli 1963 erklomm ein Mann die Rednertribüne vor dem Washingtoner Lincoln Memorial. Es war Martin Luther King, der charismatische „Schwarzenführer“. Vor über 250.000 versammelten Menschen hielt er eine der emotionalsten Reden, die je gehalten wurden. Mit flammender Stimme beschrieb Martin Luther King, eingeleitet durch den immer selben Satzanfang „I have a dream“, sein Amerika der Zukunft. Wer diese Rede bereits gehört hat, kann die Ehrfurcht gebietende Wirkung von Kings Worten nachempfinden.

Doch stellen Sie sich vor, schon damals hätte es PowerPoint gegeben, und Martin Luther King hätte seiner Botschaft auf einem riesigen Bildschirm seine Kernaussagen mit PowerPoint unterstützt. Das hätte dann in etwa so aussehen können:
 

Die Texte unter Ausnutzung aller spielerischen Möglichkeiten dieses Präsentationsprogramms wären in Farbe von links nach rechts wie von Geisterhand auf dem Bildschirm ein¬geschwebt. 250.000 Menschen hätten vorab gelesen, was King noch einmal fast wörtlich wiederholt hätte. Seine sonst bildhafte Sprache hätte sich notgedrungen an den Akademikertext der Folien angepasst. Fest steht: Die Wirkung einer der größten Reden der Menschheit hätte sich um den Faktor zehn verschlechtert! Wäre Kings Rede mit PowerPoint unterstützt worden, gäbe es wahrscheinlich noch heute die Rassentrennung in den USA.

Anhand dieser Jahrhundertrede wird ein Wirksamkeitsprinzip von Reden deutlich: Entscheidend ist das Gefühl, das der Inhalt einer Rede bei den Menschen auslöst. Dennoch vertrauen die meisten Redner vor allem auf den Inhalt. Dabei belegen Studien, dass lediglich mickrige sieben Prozent des Vorgetragen tatsächlich erinnert werden kann. Bei Kings Rede hätten demnach gerade ein Prozent der 250.000 versammelten Menschen seine insgesamt sieben Traumvisionen zusammenfassen können! Bei jeder Präsentation geht es jedoch vor allem um die Wirkung, nicht um den Inhalt eines Vortrags. Martin Luther King hat es geschafft und bei seinen Zuhörern Gefühle ausgelöst. Völlig unwichtig ist, wie viele Details der Rede die Zuschauer behalten haben.

Heute wird praktisch überall und jedes Thema mit Microsofts PowerPoint-Programm präsentiert. Per Beamer erscheinen die Grafiken der letzten Umsatzzahlen, die neue Strategie der Marketingabteilung, die Umsetzung der neuesten Restrukturierungsmaßnahme oder die schematische Darstellung eines technischen Vorgangs... Doch PowerPoint erhöht nicht die Behaltensquote, im Gegenteil, es bewirkt einen dramatischen Abfall der ausgelösten Gefühle bei den Zuhörern.

Tatsache ist: Als Referent entwerten Sie eine Aussage, wenn sie noch einmal als Text zu sehen ist. Text auf Folie verhindert Gefühle. Text auf Folie tötet Spannung, Text auf Folie verhindert Wirkung, das ist die Realität, alles andere ist gut klingende Theorie. Und PowerPoint ist der dominierende Protagonist dieser Wirkungs-Verhinderungs-Schlachten. Viele meinen mit
Grafiken, schematischen Darstellungen und Bildern wäre es aber etwas Anderes. Leider nein! Denn Text tötet Spannung, auch wenn er um die Beschriftung von Diagrammen oder Bildern geht.

Präsentationswirkung mindestens verfünffachen

Die glühendsten Verfechter von PowerPoint sind meistens nur die Referenten, nicht die Zuhörer. Wann immer mir einer meiner Teilnehmer von einem Redner erzählt, der ihn begeistert habe, frage ich nach, ob er mit PowerPoint gearbeitet hat. Das Ergebnis: In 95 von hundert Fällen hatte dieser frei geredet – ohne PowerPoint. Menschen überzeugen, technische Hilfsmittel nicht!

Natürlich gibt es Ausnahmen. Redner, die trotz PowerPoint eine gute Rede halten. Aber wenn man in der Gegenüberstellung denselben Redner noch einmal ohne PowerPoint, beispielsweise mit Flipchart, präsentieren lässt, findet man erstaunt heraus, dass er sich in der Mehrzahl der Fälle in seiner Wirkung verbessert. Bei PowerPoint-Präsentationen sind die Augen des Publikums starr auf die Leinwand gerichtet, denn der Mensch unterliegt einem Lesezwang. Der Redner wird dadurch im Grunde überflüssig. Das ist betreutes Lesen!

Wer genau beobachtet, erkennt, dass die Energie der anwesenden Menschen in einem Raum sofort sinkt, sobald ein Beamer etwas an die Wand wirft. Das ist tatsächlich zu spüren. Noch viel dramatischer ist die Tatsache, dass der Energiefluss von Redner zu Publikum durch PowerPoint unterbrochen wird. Aufmerksamkeit wird dividiert, statt fokussiert. Überzeugung wird vermindert!

Flipchart statt PowerPoint

Doch wie lassen sich nun aus Anwesenden Zuhörer machen? Nutzen Sie eine „Wirksprache“, die Sie gezielt als Spannungselement einsetzen. Statt „Weg-von-Wörtern“ bedarf es „Hin-zu-Wörtern“ – zum Beispiel Verben wie „danken“, „vertrauen“, „verzeihen“, da diese mit Emotionen verbunden sind. Auch wenn Sie etwa über Lebensweisheiten berichten, die nicht von Goethe oder Laotse stammen, sondern von Ihnen selbst, wenn Sie Unerwartetes präsentieren, können Sie 200 % Aufmerksamkeit bekommen.

Es gibt eine Fülle erlernbarer Tipps und Techniken, die jeder Trainer nutzen kann, um die Spannung seines Vortrags durchgehend aufrecht zu halten. Dazu gehören zum Beispiel Stilmittel der Highlight-Rhetorik. Hier ist etwa das „anonyme Reden“ zu nennen, bei dem über etwas geredet wird, was das Publikum noch nicht kennt, am besten, indem eine Geschichte um die Kernaussage gebastelt wird. Bildhaft vorgetragene Argumente sorgen ebenfalls für mehr Aufmerksamkeit als Sachargumente. Auch Aussagen, die direkt ans Unterbewusstsein der Zuhörer gerichtet sind, erzeugen eine signifikant höhere Wirkung.

Selbst unerfahrenen Rednern gelingt es auf diese Weise, aus körperlich Anwesenden faszinierte Zuhörer zu machen. Übrigens, meine Kernthese, dass PowerPoint-Vorträge geringere Lernerfolge zeitigen als etwa Vorträge mit Flipchart, bestätigen aktuelle Studien der Universität Rostock.

Literaturtipp

Der Irrtum PowerPoint: Präsentieren Sie noch oder faszinieren Sie schon?
Matthias Pöhm
Pöhm Seminarfactory 2011, 27,- €
ISBN 978-3952368008

Matthias Pöhm ist ein europaweit arbeitender erfolgreicher Trainer für Schlagfertigkeit und Rhetorik. Er ist Veranstalter des teuersten Rhetorik-Seminars, bei dem die Teilnehmer vor über 100 Zuschauern reden. Sein Bestseller „Nicht auf den Mund gefallen“ befindet sich bereits in der 10ten Auflage und ist mit einer Gesamtauflage von rund 170.000 Exemplaren das am meisten verkaufte Buch zum Thema Schlagfertigkeit im deutschsprachigen Raum. Pöhm ist Gründer und Präsident der weltweit aktiven Anti-PowerPoint-Partei.

www.poehm.com

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