Peter Brix

Projektkultur als eigentlicher Erfolgsfaktor der Projektarbeit (2)

Anregungen zur Auseinandersetzung mit der realen Projektarbeit

Die Autoren dieser teilweise provokanten Artikelreihe geben handfeste Anregungen zur Verbesserung der Projektarbeit im Unternehmen. Gleichzeitig setzen sie Impulse zum Blick über den Experten-Tellerrand der bestehenden Projektmanagement-Gepflogenheiten. Im ersten Artikel dieser Reihe wurde die Bedeutung einer lebendigen „Projektkultur“ unterstrichen und einem instrumentellen Projektmanagement-Verständnis gegenübergestellt. Nun folgt eine erste konkrete Anleitung zur bewussten Wahrnehmung und Verbesserung der realen Zusammenarbeit im Projekt.

Lassen Sie uns den Blick über Projektmanagement-Richtlinien, Tools und Formulare erheben, damit wir den Blick freibekommen und Mitarbeiter und Führungskräfte bei der Projektarbeit beobachten können. Was sehen wir und wie erleben die Akteure selbst das Geschehen, wie ist die Kultur?

Eine erste globale Betrachtung von Varianten der Zusammenarbeit in einfacher Darstellung:

Bitte nehmen Sie sich jetzt ein wenig Zeit zum Reflektieren. Sehen Sie spontan ein paar Trends in Ihrem Umfeld, in Ihrer Projektarbeit und wollen Sie mit dem Finger auf eines der vier Felder zeigen? Ist Ihre Wahrnehmung differenzierter und möchten Sie für die Verteilung der vier Verhaltensvarianten Prozentwerte eintragen?

Es ist für mich als Prozessbegleiter immer wieder erstaunlich, dass alle Menschen auf die Frage nach Verhaltensweisen in der (eigenen) Projektarbeit spontan eine klare und auch kritische Einschätzung wiedergeben, in der Praxis aber sehr selten unzweckmäßige und störende Formen des Zusammenwirkens von sich aus thematisieren und aufgreifen.

Das könnte damit zu tun haben, dass wir gewöhnlich viel über das WAS, die Problemlösung, sprechen und wesentlich seltener unser Augenmerk auf das WIE, den Prozess des Zusammenwirkens, richten. Und wenn wir doch einmal über den Prozess sprechen, dann oft nur über abstrakte Erfordernisse („Prozessbeschreibungen“) und nicht über das reale Zusammenwirken der daran Beteiligten. Viele Teams wären schon einen Riesenschritt weiter, wenn Sie sich am Ende einer Sitzung zehn Minuten Zeit nehmen würden, um über die vier oben genannten Varianten der Zusammenarbeit zu sprechen. Wirkt immer – vertrauen Sie unserer Erfahrung und probieren Sie es aus!

Zeit für eine differenzierte Betrachtung? Wenn Sie genauer auf die Bedingungen eines guten Zusammenwirkens schauen wollen, leisten Indikatoren dabei gute Dienste. Wir haben sie als Fragen formuliert und dabei jeweils mehrere Detailaspekte zusammengefasst. Unsere Indikatorenliste gibt Denkanstöße und bewirkt bereits die eine oder andere Einsicht:

  • Informationen : werden sie gerichtet, proaktiv und rechtzeitig gegeben? 
  • Entscheidungen : werden sie klar beantragt und zeitnah gefällt? 
  • Arbeitszusammenhänge : sind sie strukturiert und für alle visualisiert? 
  • Arbeit : wird sie eigenverantwortlich, diszipliniert und vorausschauend ausgeführt? 
  • Termine : sind sie verbindliche Versprechen? 
  • Projektrollen : sind sie konsistent beschrieben, werden sie gelebt? 
  • Unterstützung : ziehen Topmanagement, mittleres Management und Projektleiter an einem Strang und unterstützen sich gegenseitig? 
  • Feedback-Kultur : wird individuelles, auch abweichendes Verhalten angesprochen? 
  • Kollektives Fehlverhalten : wird es in Unternehmenseinheiten erkannt und geklärt? 
  • Pull-Prinzip : fühlt sich jeder für Fortschritt verantwortlich und handelt unternehmerisch? 
  • Wertschätzung : bewahrt sie vor Schuldsuche bzw. Angstkultur? 
  • Fehlerfreundlichkeit : ist ein positiver Umgang mit Fehlern vereinbart? 
  • Kultur-Leitbild : existiert ein Kultur-Leitbild mit Indikatoren zur Überprüfung? Gibt es ein Projektmotto?

Bitte betrachten Sie dabei immer, wie es ist (Realität, Ist-Zustand) und nicht wie es sein sollte und irgendwo theoretisch beschrieben steht (Absicht, Soll-Zustand). Wollen Sie sich auch hier ein erstes Bild Ihres Teams/Unternehmens skizzieren? Und wenn Sie Projektmanagement-Experte sind, können Sie an dieser Stelle vielleicht darüber nachdenken, ob wir als Berater unser Augenmerk mehr auf Indikatoren für die Kultur des Zusammenwirkens richten, und wie gründlich wir das tun, oder ob wir vor allem auf methodische und instrumentelle Aspekte achten.

Eine detaillierte Darstellung mit der Möglichkeit, gleich eine Selbsteinschätzung vorzunehmen, überreichen wir Ihnen gerne: Ihren persönlichen Projektkultur-Check. Eine Anpassung an Ihre spezifischen Erfordernisse, beispielsweise mit Nennung Ihrer bereits vorhandenen Stärken, Ihrer Absicht und der Möglichkeit, die Betrachtung auch durch andere Mitarbeiter durchführen zu lassen („Cross-Check“), nehmen wir ebenfalls gerne vor. Auch eine pragmatische Kurzbetrachtung instrumenteller Erfordernisse und Ausprägungen lassen wir dabei nicht außer Acht. Wir empfehlen allerdings, derartige Betrachtungen nicht allein, im stillen Kämmerlein, durchzuführen, mit der Gefahr, ein verzerrtes Selbstbild zu erhalten, sondern im Dialog mit einem neutralen und kritischen Betrachter. Der Schwerpunkt liegt dabei eher auf interaktiven Veranstaltungen (Gespräche, Workshops), mit viel gegenseitigem und bewusstseinsbildendem Feedback, als auf pauschalen und passiven Betrachtungsweisen.

Mit einigen zentralen Hilfsmitteln zur Visualisierung, z. B. Relationsdiagrammen und einer Verantwortungsmatrix, können ergänzend unzweckmäßige Zustände schnell erkannt und eine Veränderungsbereitschaft erreicht werden.

Abbildung: Relationsdiagramm

Damit sind wir schon bei weiterführenden, verbessernden Maßnahmen. Was tun, wenn wir uns mit dem entstehenden Bild nicht zufriedengeben wollen? Thematisieren ist der erste Schritt. Anschließend gilt es, unternehmensweit das Bewusstsein für die Änderungsabsicht zu entwickeln. Die faktische Veränderung muss weniger in Bildern und Worten (Prozessbeschreibungen), sondern vielmehr in Handlungen und Einstellungen sichtbar werden.

Für Veränderungen dieser Art, „Changeprozesse“, ist ein wenig Geduld nötig und ein konsequentes Management des Vorgehens. Diese Prozesse erfordern ein Klima der Wertschätzung und einen toleranten Umgang mit Fehlern, geht es doch um die Veränderung von eingefahrenen, gewohnten Mustern, um das Verlassen von „Komfortzonen“.


Was tun, wenn Sie am Ende dieser Betrachtung zur Projektkultur als Erfolgsfaktor der Projektarbeit eigentlich schon zufrieden sein können? Ihren Mitarbeitern und Managern explizit und herzlich danken!

Der dritte Artikel dieser Reihe hat den Titel „Teamentwicklung in der Projektarbeit“. Mit ihm bauen wir auf dem zweiten Artikel auf, erläutern die Erfordernis einer zielgerichteten Teamentwicklung und zeigen einige Möglichkeiten dazu auf.

Wir haben Ihr Interesse geweckt? Dann fordern Sie gerne das Gesamt-Artikelverzeichnis und weitere Artikel an. Wir bieten Ihnen außerdem alle Themen, einzeln oder in der von Ihnen gewünschten Kombination, als Impulsvorträge oder Gesprächsgrundlagen für Veranstaltungen in Ihrem Unternehmen.


Peter Brix , Jahrgang 1952,
Dipl.-Ing., Projektmanagementfachmann und Coach:
Ich kenne als Ingenieur die Welt der Lösungsorientierung, als Trainer und Coach setze ich auf die erforderliche Prozessorientierung. Ich stehe für eine klare Linie und unkomplizierte Zusammenarbeit im Team und mit Kunden.

Kontakt: peter.brix@PROJEKTKULTUR.INFO und 08856-82167


Literaturhinweise :

Die Individualisierungsfalle, Olaf-Axel Burow, Klett Cotta Verlag, 1999

Miteinander Reden Teil 3, Friedemann Schulz von Thun 3, Rowohlt Taschenbuch Verlag, 2008

Die Anti-Burnout-Fibel, Jörg-Peter Schröder, Cornelsen Verlag, 2010

 

Bildnachweis: Peter Brix 

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