Peter Brix

Peter Brix

Gesetzmäßigkeiten eines gesunden Projektmanagements (4)

Projektmanagement auf den Punkt bringen

Die Autoren dieser teilweise provokanten Artikelreihe geben handfeste Anregungen zur Verbesserung der Projektarbeit im Unternehmen. Gleichzeitig setzen sie Impulse zum Blick über den Experten-Tellerrand der bestehenden Projektmanagement-Gepflogenheiten. In den vorangegangenen Artikeln war von der Bedeutung der Projektkultur und der Teamentwicklung die Rede. In diesem Artikel wird für gründliches, aber einfaches Denken in der Modellbildung und der Ausgestaltung von Methoden und Instrumenten geworben. Daraus ergibt sich zwangsläufig auch eine Kritik an dem ein oder anderen Projektmanagement-Experten mit teilweise viel zu sperrigen Angeboten für den Markt.

Projekte sind arbeitsintensiv und komplex. Der Projektleiter und die Beteiligten haben alle Hände voll zu tun, oft wird deswegen improvisiert und „gewurstelt“. Darauf haben die Experten eine Antwort, jedoch häufig eine, die zu weit ausholt oder Lösungen, die nicht zum Problem passen. Internationale Curricula und ihre Empfehlungen (z. B. PMI-Standard, Competence Baseline) können in ihrer Komplexität und Allgemeingültigkeit nicht direkt und ohne gründliche Anpassung bei der Problemlösung eingesetzt werden.

Wollen wir den Projekten Hilfestellung zu Methoden und Kommunikation geben, hat diese so schlank und essenziell wie möglich zu sein. Projektmanagement muss sich an den jeweiligen Erfordernissen orientieren, es darf nicht zu technokratisch, rechthaberisch oder lehrbuchmäßig auftreten. Welche „Gesetzmäßigkeiten“ können uns leiten, möglichst ohne unreflektierten Ballast unsere Aufgaben zu erfüllen? Wir müssen lernen, uns weniger von der Vielzahl der Möglichkeiten und dem „Perfekten“ hypnotisieren zu lassen und stattdessen auf das Wesentliche zu fokussieren, nämlich den Projekterfolg.

§ 1 Jeder Methodeneinsatz muss dem übergeordneten Ziel folgen

In erster Linie geht es um positiv bewertete Projektergebnisse und nicht um Projektmanagement! Projektmanagement ist lediglich ein Vehikel, kostet und hat keinen Selbstzweck. Wenn empfohlene Vorgehensweisen des geregelten Projektmanagements (nach verschiedenen Anschauungen und Standards) den wahrscheinlichen Projekterfolg spürbar fördern, ist das eine tolle Sache. Aber nicht, wenn es um grundsätzlich ideales oder perfektes Projektmanagement geht – womöglich noch in Form eines sterilen Handbuches!
 
So viel zum Einstieg und zur Klärung. Aber wie schaffen wir es, das Wesentliche aus der Vielzahl teils irrelevanter Möglichkeiten herauszufinden, uns nicht zu verzetteln oder Anregungen zu folgen, die irgendwann einmal, für ganz andere Umstände, entwickelt worden sind? Zunächst müssen wir wissen, was wir wirklich wollen. Vor der Frage nach dem WIE (Methodik, Verfahren), sollten wir uns grundsätzlich die Frage nach dem WOZU stellen. Wozu dient das ein oder andere Hilfsmittel, wobei soll es uns unterstützen? Wir beobachten aber vor Ort in den seltensten Fällen eine vorangehende explizite Projektvision als Basis für weitere Vorgehens-Detaillierungen. Ein grober Fehler!

Je nach Unternehmen und Unterfangen könnte die übergeordnete Beschreibung eines positiv verlaufenden Projektes beispielsweise lauten:

Können Sie sich vorstellen, dass die Einhaltung dieser Meta-Regeln schon so manche Methodendebatte überflüssig macht? (Im Artikel 1 sprachen wir schon einmal von der Möglichkeit, von Handwerker-Teams zu lernen).

§ 2 Das magische Dreieck muss eine runde Sache sein

Immer wenn wir es mit hoher Komplexität zu tun haben, nutzen wir Ordnungsmodelle zur Sichtung und Bewältigung der Vielfalt. Im Projektmanagement gehört dazu sicher das „magische Dreieck“ („K-Q-T“): Kosten, Qualität und Termine bedingen sich gegenseitig. Oft genug wird gegen die hier erforderliche Ausgewogenheit schon grob verstoßen. Wir legen Ihnen dringend nahe, dieses magische Dreieck noch zu erweitern:
 
Wer wirklich erfolgreich sein will, wird sein Augenmerk auf einen vierten, sehr bedeutsamen Faktor legen müssen: die Zusammenarbeit. Wird hier miteinander, nebeneinander, durcheinander oder gegeneinander gearbeitet? Die Bedeutung einer gepflegten und belastbaren Beziehungsebene nimmt mit zunehmender Komplexität im Projekt zu! Eine deutlich unterschätzte Tatsache, der wir allein mit der Erstellung von beschreibenden Projekt-Organigrammen und Schnittstellen-Regelungen nicht gerecht werden können.

§ 3 Hilfestellungen müssen verständlich und annehmbar sein

Bei aller Betonung eines schlanken Werkzeugkastens sind dennoch einige Empfehlungen zur einheitlichen Vorgehensweise in allen Projekten eines Unternehmens absolut sinnvoll. Dazu gehören mit Sicherheit die Anleitung zu einem konsequenten Projektstart und die unternehmerische Projektsteuerung mit mehr oder weniger zahlreichen Detaillierungen.

Und so etwas wird üblicherweise in einem Handbuch zusammengestellt. Leider wollen in der Praxis viele solcher Handbücher besonders klug und vollständig sein und vergessen dabei, dass sie nicht gegen jemanden geschrieben werden, sondern für jemanden, nämlich für den Problemlöser – und nicht für den zertifizierenden Experten!

Wir empfehlen deshalb einen motivierend gestalteten „Projektleitfaden“, der dem Projektpersonal und Linien-Management ein elementares Grundverständnis und einfache und zweckmäßige Hilfestellungen vermittelt, sowohl für Standard-Situationen als auch für Grenzfälle. Selbstverständlich wird dieser online verfügbar sein, zur Arbeitserleichterung gut gepflegte Links haben und Inhalte, die konsistent und redundanzfrei sind. Jeder gute Leitfaden beginnt mit einer ansprechenden Titelseite und einem Foto der Unternehmensführung, die überzeugend, wertschätzend und fordernd zur Projektarbeit einlädt.

Auch ein guter, minimalistischer Leitfaden kommt nicht ohne einige konkret beschriebene Detailinstrumente aus, häufig in Gestalt von Tabellen oder Formularen. Aber doch bitte keine „Lohnsteuerjahreserklärungen“! Motivierende Instrumente, verstanden als Ausarbeitungen von Methoden, sind knapp, verständlich und auf die jeweiligen Handlungssituationen zugeschnitten, z. B. nach dem Motto „in welchen Schritten gehe ich vor?“ statt „was muss ich noch alles ausfüllen?“. Die verständliche und hilfreiche Checkliste steht im Vordergrund und weniger die Kontrollmanie. Besonders hilfreich ist es, wenn Instrumente sich selbst erklären, wenn sie deutlich machen, wobei und wie sie dem Benutzer und seinem Umfeld konkret bei der Bewältigung von Problemen helfen.

Alle Regelungen müssen außerdem grundsätzlich genug Freiraum für Variationen bieten und auch ein Stück weit Chaos-Toleranz abbilden.

Zusätzlich darf natürlich über sinnvolle, in der Sprache aller Benutzer direkt verständliche Terminologien nachgedacht werden und über geeignete, weil nachvollziehbare Prozess-Detaillierungen.

§ 4 Verbindlichkeit muss für alle gelten

Worauf können sich andere verlassen, dass Sie es von mir bekommen und worauf kann ich mich einstellen, es von anderen zu bekommen? Das gewünschte Zusammenwirken von Menschen wird im Allgemeinen erst durch Vereinbarungen oder auch „Verfassungen“ ermöglicht. Diese sind implizit (Urvölker) oder auch explizit (Gesetzgebung) vorhanden und ohne sie wäre ein Zusammenleben vieler Menschen und Interessengruppen nicht denkbar.

Ein ausgewogenes Geben und Nehmen („Rechte und Pflichten“) für alle Parteien und eben nicht einseitig muss angestrebt werden.

Wenn überhaupt vorhanden, kann man in expliziten Projektrollen-Beschreibungen häufig eine nicht unerhebliche Einseitigkeit beobachten: Zunächst einmal wird die Rolle des Projektleiters mit dem Schwerpunkt Pflichten und Aufgaben beschrieben und dann ist mit zunehmender Seltenheit die Rede von seinen Rechten, von der Rolle der Teammitglieder, der Fachvorgesetzten im Unternehmen und zu guter Letzt von Top-Management und entsprechenden Steuerungskreisen. Das ist insofern zu kritisieren, als der Projekterfolg eine Unternehmensangelegenheit und keine Einzelleistung ist. Eine sinnvolle und funktionierende Regelung zur Verantwortungsübernahme und zur Sicherstellung rechtzeitiger Entscheidungen muss daher die Arbeitsbeziehung zwischen allen Mitwirkenden konstruktiv beschreiben. Wesentliche Ebenen sind:

  • Projektleiter und Projektmitarbeiter im Projektteam
  • Projektmitarbeiter und Fachvorgesetzte in Projektangelegenheiten
  • Projekt und Auftraggeber
  • Top-Management bzw. Steuerkreis
  • #Unternehmensvertretung und Kunde
  • Sonstige Hilfsfunktionen und Stabstellen


Das ist gemeint, wenn wir von „Projektmanagement ohne Umwege“ sprechen. Wir hoffen, dass Sie unsere Ausführungen ansprechend, anregend und einladend finden, und dass wir Sie auch in eigenen Überlegungen bestärken konnten. Vielleicht haben Sie entdeckt, was Sie schon alles haben oder Mut geschöpft, manches zu vereinfachen, direkt auf den Punkt zu kommen.

Im fünften Artikel dieser Reihe mit dem Titel „Die Fitness des Projektleiters“ erläutern wir, warum es neben aller notwendiger Methodik vor allen Dingen um die Art und Weise der Arbeit des Projektleiters geht und wie wir seine Fertigkeiten wirkungsvoll entwickeln können.

Wir haben Ihr Interesse geweckt? Dann fordern Sie gerne das Gesamt-Artikelverzeichnis und weitere Artikel an. Wir bieten Ihnen außerdem alle Themen, einzeln oder in der von Ihnen gewünschten Kombination, als Impulsvorträge oder Gesprächsgrundlagen für Veranstaltungen in Ihrem Unternehmen.


Peter Brix , Jahrgang 1952,
Dipl.-Ing., Projektmanagementfachmann und Coach:
Ich kenne als Ingenieur die Welt der Lösungsorientierung, als Trainer und Coach setze ich auf die erforderliche Prozessorientierung. Ich stehe für eine klare Linie und unkomplizierte Zusammenarbeit im Team und mit Kunden.

Kontakt: peter.brix@PROJEKTKULTUR.INFO und 08856-82167


Literaturhinweise :

Project Management Body of Knowledge
PMI Standards Committee, William R. Duncan

Kompetenzbasiertes Projektmanagement (PM3)
Michael Gessler (Hrsg.), GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e.V., 2009

Projekte zum Erfolg führen
Heinz Schelle, Deutscher Taschenbuchverlag, 2004

Download www.peterbrix.de: „Lebendiges Projektmanagement“

 

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