Gerhard und Oliver Reichel

Heute Kollege, morgen Vorgesetzter

Fit für den Aufstieg

Wer sein Führungshandwerk nicht kennt, macht Fehler, die ihm unnötig Autorität kosten. Und gerade die lässt sich nicht so leicht wieder aufbauen. Nach dem ersten Höhenflug folgt für viele neu ernannte Führungskräfte die knallharte Landung – denn Mitarbeiterführung will gelernt sein, gerade wenn man in der Hierarchie vom Kollegen zum Vorgesetzten aufsteigt.

Aller Anfang ist schwer und oft mit Unsicherheit verbunden: „Plötzlich empfinde ich alles anders. Vor wenigen Tagen habe ich mich noch über die Beförderung zum Teamleiter gefreut. Heute weht mir ein eiskalter Wind entgegen. Warum? Bisherige Kollegen blockieren, verhalten sich nicht kooperativ. Mein Chef erwartet, dass ich mich durchsetze. Der neue Druck setzt mir zu. Fachlich bin ich doch Spitze – und ausgerechnet jetzt falle ich in ein Loch der Unsicherheit.“ Und dabei ist doch gerade der erste Eindruck entscheidend, wie die weitere Zusammenarbeit ablaufen wird.“

Chef zu werden ist nicht immer leicht…

Führungskräfte geraten oft in eine schwierige Situation, wenn sie zwar Führungsaufgaben übernehmen sollen, jedoch nicht über die entsprechenden Kompetenzen verfügen. Doch die hohen Anforderungen an die neu ernannten Führungskräfte, insbesondere auf der zwischenmenschlichen Ebene, werden von Unternehmen immer noch häufig unterschätzt. Nachwuchsführungskräfte müssen sich mit zahlreichen Fragen auseinander setzen: „Wie verhalte ich mich richtig gegenüber Mitarbeitern und bisherigen Kollegen? Wie gelingt es mir, sie zu motivieren und mich gleichzeitig durchzusetzen? Wie meistere ich Krisensituationen? Wie erkenne ich Rollenkonflikte, und wie kann ich sie lösen? Welchen Führungsstil sollte ich mir aneignen?“

So kann Chef sein Spaß machen…

In jedem Führungswechsel liegt die Chance des Neuanfangs und damit des „Besser-als-bisher-Machens“. Erkennen dies beide Seiten, ist dies eine ideale Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit auch unter neuen Voraussetzungen. Natürlich bedarf es einer gewissen Einarbeitungszeit, nicht nur für die neuen Mitarbeiter, sondern auch für die neue Führungskraft. In dieser Art Schonfrist oder „Probezeit“ muss es erlaubt sein, Fehler zu machen. Unter dieser Voraussetzung und ohne Angst, können neu ernannte Führungskräfte ihr Potential am besten ausschöpfen, weil Sie ja grundsätzlich sowieso besonders motiviert sind, erstens die richtigen Dinge und zweitens diese Dinge richtig zu tun.

„So geraten Sie in Schwierigkeiten“

• Warten, bis Personen, auf die Sie angewiesen sind, Ihnen zufällig über den Weg laufen oder irgendwann auf Sie zukommen.
• Enttäuschte Mitbewerber links liegen lassen und hoffen, dass sich das Problem von selbst erledigt.
• Sich über den Vorgänger oder über die bisherige Leistung der Abteilung abfällig äußern.
• Um die „eigene Haut zu retten“, Mitarbeiter und Kollegen im „Regen stehen lassen“ und ihnen Hilfe verweigern.
• Probleme mit Vorgesetzten, Kollegen und Mitarbeitern passiv aussitzen statt aktiv einen Lösungsversuch zu unternehmen.

Was erwarten Mitarbeiter von der neuen Führungskraft? 

Der/die neue „Vorgesetzte“ hat seine Aufgabe übernommen. Egal ob der/die Neue von „außen“ kommt oder intern aufsteigt, die Fragen und Hoffnungen bzw. Ängste, die Mitarbeiter in der Start-Phase bewegen, sind ähnlich. Häufig unausgesprochen, aber strategisch durchaus bedeutsam, sollten neue Führungskräfte sich damit bereits vorab auseinandersetzen oder diese zumindest kennen:

1. Wenn der/die Neue von „außen“ als „neues Gesicht“ kommt…

• Wie „sieht mich“ mein neuer Chef? Wie komme ich an?
• Mit welchem Menschen-Typ habe ich es zu tun?
• Passt Er/Sie zu uns?
• Wird über gegenseitige Erwartungen konkret gesprochen?
• Bessere Vertretung unserer Interessen nach „oben“?
• Wird sich der Informationsfluss verbessern?
• Werden bisherige Leistungen respektiert und neue Erfolge honoriert?
• Ergeben sich für mich neue Chancen?
• Wird sich für mich, für uns, mehr Freiraum ergeben?
• Was weiß er/sie schon über uns? Und von wem?
• Mit wem wird er/sie zuerst den besten Kontakt gewinnen?
• Welche Veränderungen wird sich der/die Neue in den Kopf setzen?
• Darf der/die Neue überhaupt Entscheidungen treffen?
• Was wird sich in den nächsten Tagen „tun“, was verändern?

2. Wenn der/die Neue aus dem Kreis der bisherigen Gruppe kommt…

• War die Beförderung gerecht oder nur „Vitamin B“?
• Von wem wird er/sie am meisten beeinflusst?
• Welche „Vorgaben“ hat er/sie von oben bekommen?
• Wie entwickelt sich die Beziehung zum „Vorgänger“?
• Wie wird es mit der bisherigen Lockerheit aussehen?
• Was haben bisherige Freunde und Widersacher zu erwarten?
• Wird er/sie lang ersehnte Team-Wünsche tatsächlich anpacken?
• Wie wird sich X persönlich verändern?
• Wird X Rückgrat und Stehvermögen für uns spürbar beweisen?

Kaminaufstieg meistern

Schon als Externer ist es nicht leicht, vielleicht wesentlich älteren Mitarbeitern als Vorgesetzter im wahrsten Sinne des Wortes vorgesetzt zu werden. Haben Sie jedoch einen so genannten Kaminaufstieg hinter sich, sind von nun an also den ehemaligen Kollegen vorgesetzt, wartet ein noch größeres Problem-Potential. Achten Sie darauf, Sie selbst zu bleiben. Kehren Sie nicht von heute auf morgen die Chefrolle heraus. Ihre Autorität als Führungskraft muss mit der Zeit wachsen. Gewachsene persönliche Beziehungen müssen nicht unter dem neuen Unterstellungsverhältnis leiden. Achten Sie aber auf Gerechtigkeit. Sprechen Sie in jedem Fall offen mit Ihren ehemaligen Kollegen über die Möglichkeiten einer guten Zusammenarbeit. Sprechen Sie mögliche Befürchtungen an. Und: Begleichen Sie als Vorgesetzter in der neuen Funktion keine alten Rechnungen. In vier Schritten gelingt der Kaminaufstieg:

1. Ausgangslage einschätzen

• Welcher Ruf eilt mir voraus?
• Wie waren die bisherigen Kontakte?
• Ist meine Ernennung nachvollziehbar?
• Gab es andere Wunschkandidaten?
• Trauen sie mir den Erfolg überhaupt zu?
• Überwiegen Hoffnungen oder Befürchtungen?
• Wie stehen meine neuen Mitarbeiter zu mir (ablehnend, skeptisch, neutral, positiv, sehr positiv)?

2. Sich den Erwartungen offensiv stellen

Suchen Sie Kontakt zu Ihren neuen Mitarbeitern, am besten mit einem Erstgespräch mit folgenden Inhalten:
• Kontakt (entspannte Atmosphäre, persönliches Kennenlernen)
• Arbeitsgebiet? (Zuständigkeit, momentane Aufgaben, demnächst anstehende Aufgaben)
• Problem? (Hindernisse und Schwierigkeiten/Lösungsideen und Ansätze)
• Zufriedenheit? (Alles in allem zufrieden? Allgemeine Stimmung?)
• Erwartungen? (Erwartungen an die Zusammenarbeit? Persönliche Erwartungen?)

3. Veränderungen in Gang setzen – von Mitarbeitern profitieren

Als Führungskraft fragen Sie sich vielleicht: Wie können Sie Veränderungsbereitschaft fördern? Verknüpfen Sie das Bewährte mit dem Neuen durch konstruktives, gemeinsames und regelmäßiges Infragestellen: Was hat sich bewährt? Was läuft gut bzw. ist gut gelaufen? Was sollten wir beibehalten? Was ist nicht so gut (gelaufen)? Was hat sich nicht bewährt? Was schafft uns Probleme? Was können wir daraus lernen? Was sollten wir beim nächsten Mal anders und besser machen? Die Voraussetzung: Zeigen Sie, dass Sie lernbereit und lernfähig sind. Stellen Sie selbst Ihr Tun von Zeit zu Zeit infrage. Gehen Sie mit gutem Beispiel voran.

4. Umgang mit älteren und erfahrenen Mitarbeitern

Nützen Sie gerade die Erfahrungen Ihrer älteren Mitarbeiter:
• Interessieren Sie sich für die Erfahrungen Ihrer Mitarbeiter. Holen Sie deren Rat ein. Geben Sie Ihnen die Gewissheit, dass ihre Erfahrung für Sie als Neuling wertvoll ist.
• Interessieren Sie sich für Erfolge Ihrer Mitarbeiter ("Wie haben Sie das geschafft?). Wertschätzung ist besonders wichtig.
• Führen Sie durch Fragen. Fragen Sie auch nach dem, was sich bewährt hat, wenn Sie Dinge in Frage stellen.
• Nutzen Sie die Erfahrung Ihrer Mitarbeiter, um ein Gefühl für das Machbare zu bekommen.
• Geben Sie guten Mitarbeitern das Gefühl der Sicherheit, arbeiten Sie an der Glaubwürdigkeit, von „oben“ nicht auf das Abstellgleis geschoben zu werden. „Kann ich weiterhin mit Ihnen rechnen?“
• Spielen von Anfang an mit offenen „Karten“, lassen Sie sich nicht in die Defensive drängen, sondern kontern Sie auf schwierige Themen mit Fragen, seien Sie ein sehr guter Zuhörer. Schminken Sie sich ab, alle „Knack-Punkte“ gleich lösen zu können …

Die Top Ten „Heute Kollege, morgen Vorgesetzter“

1. Führen Sie mit möglichst vielen Mitarbeitern ein Gespräch zum Kennenlernen.
2. Klären Sie die Erwartungen: Was erwarten Vorgesetzte, Mitarbeiter und Dritte von Ihnen?
3. Bemühen Sie sich initiativ um eine gute Beziehung zu denen, auf deren Zusammenarbeit Sie angewiesen sind.
4. Fördern Sie von Anfang an den Teamgedanken bei den Ihnen unmittelbar unterstellten Mitarbeitern.
5. Achten Sie auf die Stärken Ihrer neuen Mitarbeiter und vor allem auf entsprechende Wertschätzung.
6. Beachten Sie die informellen Einflussmöglichkeiten Ihrer Mitarbeiter und nutzen Sie diese.
7. Verschaffen Sie sich Klarheit darüber, wohin die Reise gehen soll und machen Sie das deutlich.
8. Konzentrieren Sie sich nach eingehender Diskussion auf wenige wichtige gemeinsame Ziele, die zu präzisieren sind.
9. Gehen Sie notwendige Veränderungen, wo immer möglich, gemeinsam mit den betroffenen Mitarbeitern an.
10. Pflegen Sie, wo immer möglich, eine offene, auf Vertrauen basierende Informationskultur.


Gerhard Reichel

Institut für Rhetorik, Forchheim, hat sich in mehr als 30 Jahren einen exzellenten Ruf als Rhetorik-Trainer erarbeitet. Unternehmer, Politiker und Führungskräfte schätzen das Know-how und die Persönlichkeit des mehrfachen Buchautors und gefragten Referenten. Sein 1975 gegründetes Institut für Rhetorik zählt mittlerweile zu den ersten Adressen Deutschlands. Die Teilnehmer lernen, in Kleingruppen souverän zu kommunizieren, lebendig zu reden und gehen damit als Persönlichkeit gestärkt neue Wege.

Oliver Reichel

Seit 1997 ergänzt Oliver Reichel mit den Spezialgebieten Rhetorik und Mnemotechnik das Programm, denn nur mit einem unschlagbaren Gedächtnis wird der Traum, ein Redner mit Ausstrahlung zu werden, auch Wirklichkeit.

Weitere Informationen erhalten Sie bei Gerhard Reichel, Institut für Rhetorik, Goethestraße 1, 91301 Forchheim, Tel.: 09191/89501, Fax: 09191/2801, per Email reichel.seminare@t-online.de oder online unter http://www.gerhardreichel.de

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