Aus dem Spitzensport und der Hirnforschung ergeben sich für Dr. Nicolette S. Strauss wertvolle Ansätze für die Weiterbildung von Management- und Führungskräften. Kommunikationskompetenz sieht sie dabei als Ausdruck einer Führungspersönlichkeit, die sich durch Selbstverantwortung, Selbstmanagement und Vorbildfunktion auszeichnet. Wie sie diese Themen in der Praxis als Unternehmensberaterin, Coach und Trainerin erlebt, erläutert sie im Gespräch mit Astrid Kehsler.

Kommunikationskompetenz kommt für Sie nicht im Beherrschen von Technik, Tools und Tricks zum Ausdruck. Woran würden Sie eine hohe Kommunikationskompetenz bei einer Führungskraft festmachen?

Nicolette S. Strauss: Kommunikation ist erst in zweiter Linie das Beherrschen von Techniken. Für mich ist eine gute Kommunikationsfähigkeit zunächst einmal mit dem Willen und der Lust zu kommunizieren verbunden. Dazu gehören die Freude am Kontakt mit anderen Menschen, am Ausloten von Meinungen oder daran, Überzeugungsarbeit zu leisten, den anderen verstehen zu wollen usw. Hier stoßen klassische Kommunikationstrainings oftmals an ihre Grenzen, weil den Menschen in der Kürze der Zeit überwiegend Techniken und Tools vermittelt werden. Es fehlt der Blick darauf, ob eine Lust am Kommunizieren in der Persönlichkeit liegt und wie sie geweckt werden kann.

Woran wird für Sie in der Begegnung mit Menschen Kommunikationskompetenz und –freude ablesbar?

Nicolette S. Strauss: Ich denke, das entscheidet sich in Bruchteilen von Sekunden und zwar über die Körpersprache. Damit meine ich nicht die häufig antrainierten Gesten wie „halte Deine Arme in einer offenen Haltung“ oder der „Bill-Clinton-Handschlag“, also diese besonders dynamische und einnehmende Art, jemandem die Hand zu geben. Ich meine eher wache, leuchtende Augen und einen entspannten Körper. Wenn Menschen einen entspannten Körper zeigen, setze ich eine Offenheit und eine Freude an der Begegnung voraus. Das läuft übrigens völlig unterbewusst ab. Es ist wissenschaftlich erforscht, dass unsere impliziten mentalen Mechanismus zu einem Meinungsbild über einen anderen Menschen kommen, noch bevor die Ratio überhaupt begonnen hat zu scannen: Was ist das für einer, welche Funktion hat er, was will er von mir? Deshalb ist der erste Eindruck so wichtig.

Was gibt Ihnen darüber hinaus Aufschluss über Ihr Gegenüber?

Nicolette S. Strauss: Im Umgang mit dem Menschen merke ich Kommunikationskompetenz an bestimmten Verhaltensweisen: Ist es beispielsweise ein Mensch, der es liebt, eine Klärung herbeizuführen, oder der eher vorzieht, im Nebulösen zu bleiben? Ist es ein Mensch, der offen lobt, aber auch kritisiert, oder ist es einer, der eher taktiert und Machtspielchen spielt? Ist es jemand, der es versteht, mit seinen Worten Sinn zu stiften, also mich für eine Vision zu begeistern, mir ein Bild zu geben von dem, was er sagt, oder ist es ein Technokrat, der einfach nur Arbeitsanweisungen weitergibt? Daran merkt man relativ schnell, ob eine hohe Kommunikationskompetenz oder eher eine mittelmäßige vorliegt.

Eine Vision im Geschäftsalltag lebendig werden zu lassen, ist nicht ganz einfach. Nicht umsonst werden Leitbilder und Visionen oft als fern der Wirklichkeit kritisiert. Wie sind Ihre Erfahrungen?

Nicolette S. Strauss: Wie Chancen verpasst werden, mit Kommunikation Bilder im Kopf und Herzen anderer zu erzeugen, hat mir folgendes Beispiel kürzlich wieder gezeigt: In der Mitarbeiterzeitschrift einer großen Klinik in Nordrhein-Westfalen bin ich auf einen Artikel zur Qualitätszertifizierung gestoßen. Er beschrieb in einer langwierigen Bürokratensprache, was  geprüft wurde, was gut und was schlecht war. Ganz unten, fast versteckt zwischen zwei Kommas, stand dann: „Wir wurden am besten von allen Kliniken in Nordrhein-Westfalen bewertet.“ Welche Verschwendung eines starken Bildes für die Mitarbeitermotivation! Erstens gehört eine solche Botschaft ganz an den Anfang und zweitens kann die Führung dann eine Vision oben drauf setzen und als gemeinsames Ziel kommunizieren: „In fünf Jahren sind wir die beste Klinik in ganz Deutschland!“ So erzeugt man mit Kommunikation Bilder und fördert die Offenheit der Mitarbeiter, sich dafür einzusetzen.

Bilder sind grundsätzlich sehr wirkungsvolle Elemente in der Kommunikation. Dies gilt nicht nur den Mitarbeitenden gegenüber, sondern auch für die eigenen, inneren Dialoge. Welche Tipps können Sie hierzu mit auf den Weg in eine Führungsposition geben?

Nicolette S. Strauss: Aus dem Spitzensport weiß man seit vielen Jahren, dass innere Bilder, innere Dialoge, innere Haltungen genauso stark auf einen Menschen wirken wie die äußere Realität. So wie sich ein Leichtathlet seine Sprünge über die Hürden vorstellt, um seine Technik zu verbessern, kann auch eine Führungskraft starke innere Bilder entwickeln und im „Kopfkino“ immer wieder durchspielen und optimieren. Zum Beispiel: Wie stehe ich als Führungskraft vor meinen Leuten, wie argumentiere ich? Wie können schwierige Situationen, zum Beispiel ein Kritikgespräch, gut ablaufen? All das kann man in Mentalübungen visualisieren. Es braucht eine gewisse Übung und Training, damit dies zu Verbesserungen im Führungsverhalten führt. Von Anfang an aber gibt es einen anderen nützlichen Effekt: Allein das Entwickeln eines solchen „Kopfkinos“ verlangt von der Führungskraft die Auseinandersetzung mit ihrer Rolle und dem persönlichen Stil. Diese Reflexion löst Entwicklungen aus. Ich würde mir wünschen, dass eine Führungskraft zumindest soweit ist, im stillen Kämmerlein zu sagen: „Hm, da bin ich noch nicht ganz so gut wie ich sein will.“ Das ist aus meiner Sicht ein starker Akt des Selbstmanagements.

Was kann der Master-Lehrgang „Kommunikation und Management“ den Studierenden vermitteln, um sie in diesem Selbstmanagement zu stärken?

Nicolette S. Strauss: Selbstverantwortung,  Selbstmanagement und die Vorbildfunktion  als Führungskraft sind für mich die Basis einer guten Führung. Hierzu können die Studierenden mit fundierten, alltagstauglichen Theorien und Methoden in Kontakt gebracht werden. Der Klassiker zum Thema Selbstmanagement ist für mich das Konzept des inneren Teams von Friedemann Schulz von Thun. Zu den Themen Verantwortung und Vorbildfunktion gibt es verschiedene Managementansätze. Viele aktuelle Erkenntnisse liefert ergänzend die Hirnforschung, etwa darüber, wie Motivation funktioniert. Ein geflügeltes Wort auf den Fluren der Macht lautet ja: „Das Leben ist kein Ponyhof.“ Die Hirnforschung sieht das anders und betont die Bedeutung positiver Emotionen für die Motivation. Die Arbeit darf durchaus herausfordernd sein, wir dürfen uns auch schon mal die Nächte um die Ohren schlagen für ein Projekt. Das ist nicht der Punkt. Aber Freude, Sinn, Angenommensein, das düngt im wahrsten Sinne des Wortes unser Gehirn in der Form, das Motivation und Lernfähigkeit gedeihen. Die dritte Säule bilden die klassischen Ansätze der Führung und Führungskommunikation. Hier plädiere ich  für einen puristischen Ansatz: Wer als Chef klar formulieren kann, wer respektvoll Feedback geben kann und stark genug für einen offenen Dialog ist, der kann schon mehr als die meisten seiner Kollegen. Es braucht keine sieben Führungskonzepte und 18 Methoden. In der Regel genügen die drei Grundregel: Ich bin prägnant, ich kann respektvoll mit anderen umgehen und ich höre den anderen an – wer das beherrscht, ich finde, der hat sehr gute Voraussetzungen für eine gute Führungskommunikation.

Zum Schluss möchte ich noch einen Satz ansprechen, den Sie sicherlich kennen: Wer fragt, der führt. Was verbinden Sie mit dieser These?

Nicolette S. Strauss: Wenn jemand mit einem aufrichtigen, wachen Interesse fragt, macht dieser Satz für mich Sinn. Ich denke, Fragen so definiert, heißt: Ich interessiere mich, ich bin offen, ich nehme den anderen ernst, ich nehme ihn wichtig. Eine solche mentale Haltung begünstigt beim Gegenüber Offenheit, Mitwirkungsfreude, Engagement und Mitdenken.

Was macht Kommunikation aus Ihrer Sicht zu einem Führungsinstrument?

Nicolette S. Strauss: Führen will nichts anderes, als aus vielen Einzelpersonen eine Art Sozietät formen, eine Gruppe, einen Organismus. Die Kommunikation ist dabei wie der Kitt oder Kleber zwischen diesen einzelnen Akteuren, der sie erst zu einem Ganzen werden lässt – zu einem Unternehmen, einem Team, einer Abteilung. Kommunikation macht aus Einzelnen etwas Gesamthaftes, sie ist das verbindende Element.

Herzlichen Dank für ihr Bild von einer guten Führungspersönlichkeit!

 

Dr. phil. Nicolette S. Strauss  ist Dozentin des berufsbegleitenden Master-Lehrgangs „Kommunikation und Management“ der staatlichen Donau-Universität Krems in Kooperation mit der PR Plus GmbH in Heidelberg. Der Lehrgang unter der Patenschaft von dm-Gründer und Aufsichtsrat Götz W. Werner startet in Heidelberg. Ein Einstieg ist noch bis zum zweiten Modul Mitte Dezember 2011 möglich.

Auskunft unter www.prplus.de,
Telefon 06221/90586-10.

Nicolette Strauss studierte Sozial- und Kommunikationswissenschaftlerin begleitet seit vielen Jahren Menschen und Unternehmen in mental und kommunikativ herausfordernden Situationen – etwa Veränderungen, Krisen, Leitbildprozessen u. ä. Die 43-Jährige bietet Coaching und Psychotherapie in Privatpraxis sowie im Rahmen von Employee Assistance (EAP) an.

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