Entschädigungsansprüche nach § 56 Infektionsschutzgesetz (IfSG) geltend machen

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Regierung hat in der Corona-Krise viele Selbstständige im Regen stehen lassen. Die versprochenen Soforthilfen kommen nicht an: Bei Unternehmen mit Angestellten sind die laufenden Kosten weit höher als die Obergrenzen der Förderung. Viele Solo-Selbstständige bekommen dagegen nur geringe Hilfen, weil sie niedrige laufende Betriebskosten haben. Statt unbürokratisch auch einen Zuschuss zum privaten Lebensunterhalt zu bekommen, werden die Betroffenen auf die Grundsicherung verwiesen: dass bedeutet, dass auch der "vereinfachte" Antrag hat für eine Familie immer noch fast 40 Seiten umfasst. Sehr oft wird dann noch kleinlich geprüft und selbst die Altersvorsorge des Lebenspartners wird mit berücksichtigt. Damit wurde das Versprechen, es fände keine Vermögensprüfung statt, gebrochen. Viele Selbstständige sind deshalb zu Recht verbittert.

Der Staat verbietet vielen von uns direkt oder indirekt die Ausübung unseres Berufes. Dies geschieht zum Schutz der Gesundheit aller, die Kosten werden aber nicht fair geteilt, sondern einseitig den Selbstständigen aufgebürdet - mit der Folge, dass viele (bei der von uns unterstützten Umfrage des VGSD sind es 25% bzw. 59% der Befragten) ihre Selbstständigkeit aufgeben oder Teile ihrer Altersvorsorge aufbrauchen müssen.

Antrag auf staatliche Entschädigung stellen

Rechtsanwalt Michael Augustin (http://www.ra.michaelaugustin.de/kontakt-10.html) hat vor diesem Hintergrund einen fünfseitigen Musterbrief samt gut verständlicher Erläuterung entwickelt, mit dem alle Selbstständigen, die in ihrer Berufsausübung eingeschränkt wurden, einen Antrag auf staatliche Entschädigung stellen können. Der Antrag erfolgt nach § 56 Infektionsschutzgesetz (IfSG), ist aber so formuliert, dass nicht nur infizierte Antragsteller, sondern auch andere Betroffene einen Anspruch auf Entschädigung erheben können.

Den Antrag auf Entschädigung musst man allerdings innerhalb von nur drei Monaten ab Beginn der Maßnahme (z.B. erste Schließung einer Messe, eines Großereignissen, Ladens, Restaurants etc.) stellen, danach verfällt der Anspruch (also teilweise bereits im Mai!)! Diesen Punkt noch einmal bei RA Augustin nachlesen; eine aktuelle INfo nennt andere Fristen.

Eines der ersten solchen Verbote war die Absage der ITB in Berlin am 28.02.20 (https://www.tagesschau.de/inland/coronavirus-itb-messe-absage-101.html). Die Frist für die ersten dadurch Betroffenen endet also vermutlich bereits am 27.05.20!

Antrag wird wahrscheinlich abgelehnt, begründet aber die Möglichkeit auf spätere Schadenersatzforderungen

Zwar ist davon auszugehen, dass die zuständigen Behörden den Antrag auf Entschädigung zunächst ablehnen (dem VGSD liegen erste Beispiele von Mitgliedern vor). Die fristgemäße Anzeige des Entschädigungsanspruchs ermöglicht aber aber die Möglichkeit, später selbst die Entschädigung gerichtlich einzufordern und so ggf. einen Präzedenzfall herbeizuführen, oder – wenn es zu einer höherinstanzlichen Entscheidung  gekommen ist – einen erneuten außergerichtlichen Antrag auf Entschädigung oder sogar auf umfassenderen Schadensersatz (auch für Folgeschäden) zu stellen.

Ein erstes Urteil eines Landgerichts liegt bereits dem VGSD vor und lehnt einen Anspruch im konkreten Fall ab, macht aber Hoffnung für anders gelagerte Fälle. Gerade die Tatsache, dass der Staat so viele Selbstständige bei anderen Maßnahmen im Regen stehen lässt, könnte hier letztlich zu dem Anspruch auf Entschädigung führen.

Selbst wenn die Gerichte zu einem späteren Zeitpunkt jede Art von Entschädigung verweigern sollten, haben die Betroffenen auf ihren moralischen Anspruch auf angemessene Unterstützung hingewiesen und den politischen Druck erhöht, so dass der ihnen entstehende Schaden stärker in die anstehenden Entscheidungen über Öffnungen bzw. weitere Hilfsmaßnahmen einfließt.

Mehr Informationen und den Zugang zum Mustertext für den Antrag findest Du hier...

Du brauchst dazu ein Passwortd, dass wir Dir im Mitglieder-Intranet zur Verfügung stellen. Bitte Log Dich ein und klicke hier...

Wenn möglichst viele von Euch mitmachen, gelingt es uns zusammen auf diese Weise vielleicht die Politik zum Einlenken und zu einer großzügigeren Hilfe für Selbstständige zu bewegen.

Falls es unter Euch einen Fall gibt, den wir der VGSD als Musterfall für einen Entschädigungsanspruch durchklagen könntenehmt bitte mit uns Kontakt auf.
Ein Präzedenzfall, auf den sich dann auch andere Unternehmen und Selbständige berufen können, erfüllt idealerweise folgende Voraussetzungen:

  1. keine Schließungsanordnung oder Tätigkeitsverbot durch das zuständige Gesundheitsamt, sondern Einschränkung durch Allgemeinverfügung / Rechtsverordnung,
  2. Beantragung aller möglicher staatlicher Rettungspakete / Sofortmaßnahmen bzw. ggf. Begründung, warum diese nicht in Anspruch genommen wurden,
  3. hoher entstandener Schaden durch die staatlichen Maßnahmen im Verhältnis zu den staatlichen Rettungspaketen/ Sofortmaßnahmen,
  4. möglichst unmittelbare Betroffenheit durch die staatlichen Maßnahmen (z.B. Hotels, Veranstalter) nicht nur mittelbare (wie bei Zulieferer/ Dienstleister für unmittelbar Betroffene),
  5. möglichst keine Ausweichmöglichkeit auf andere Geschäftsmodelle,
  6. möglichst kein Abschluss einer Betriebsschließungsversicherung.

Quelle: VGSD e.V., Dr. Andreas Lutz, in der Funktion als Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbstständigenverbände (BAGSV), www.bagsv.de 
Er ist zudem Vorstandsvorsitzender des VGSD (Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland  e.V., www.vgsd.de)

 

Fristen beachten 

Update 31.08.2020 (KAH): Achtung: Die gesetzliche Ausschlussfrist wurde auf 12 Monate verlängert. Der Anspruch auf Entschädigung nach § 56 IfSG muss gemäß dessen Abs. 11 innerhalb einer Frist von zwölf (nicht mehr nur drei) Monaten nach Einstellung der verbotenen Tätigkeit bei der zuständigen Behörde gestellt werden. Mit anderen Worten beginnt diese Zwölf-Monatsfrist an dem Tag, an dem die Schließung des Betriebs bzw. die Untersagung der Tätigkeit angeordnet wurde. Nach Ablauf dieser Frist kann die Entschädigung nicht mehr verlangt werden. Vorschusspflicht der zuständigen Behörde: Die zuständige Behörde hat auf weiteren Antrag des Arbeitgebers oder des Selbständigen nach § 56 Abs. 12 IfSG einen Vorschuss in der voraussichtlichen Höhe des Erstattungsbetrags zu gewähren. Das Gleiche gilt für in Heimarbeit Beschäftigte. Mehr...

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