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Konsensieren und Synergien im Sinne der 3. Alternative nach Stephen R. Covey

Synergien sind tragfähiger als gute Kompromisse

Josef Maiwald

Viele assoziieren den Begriff „Synergie“ leider mit „Rationalisierung“ und „Personalabbau“ in Unternehmen. Ich möchte ihn hier aber im ursprünglichen, ausgesprochen positiven Sinne verwenden. Demnach bedeutet er nämlich das Zusammenwirken von Lebewesen, Stoffen oder Kräften im Sinne von „sich gegenseitig fördern“ und eines daraus resultierenden gemeinsamen Nutzens.

Josef Maiwald Bild191207a Zwei-Alternativen-Denken spaltet

Das 2-Alternativen-Denken

Falsche Frage – schlechte Lösung

Wenn es um Entscheidungen geht, tritt leider allzu oft der Gemeinsinn in den Hintergrund und ein egoistisches Machtgeplänkel in den Vordergrund. Systematisch verstärkt wird dies durch eine ungünstige Fragestellung, die Stephen R. Covey als „2-Alternativen-Denken“ bezeichnet. Die beiden Alternativen können sein:

  • Freund <> Feind
  • Regierung <> Opposition
  • Flucht <> Angriff
  • mein Weg <> dein Weg
  • pro <> kontra
  • ja <> nein
  • entweder <> oder

Diese simple Zweiteilung wird der Komplexität der Welt meistens nicht gerecht. Es geht selten um schwarz oder weiß – in den meisten Fällen sind auch Schattierungen möglich oder wir bringen sogar auch noch unterschiedliche Farben in Spiel.

Das Fatale am 2-Alternativen-Denken ist, dass wir im Kontext von Entscheidungen schnell anfangen, in Lagern zu denken. Wir suchen einseitig nach Argumenten, die unsere Position stärken und die die Position der Gegner schwächen.

Unweigerlich driften wir auseinander, anstatt aufeinander zuzugehen. Wenn 2-Alternativen-Denker merken, dass sie im Kampf unterliegen könnten, suchen sie häufig einen Rechtsbeistand, der ihnen hilft, die eigene Position zu stärken. Im politischen Kontext beobachten wir nicht selten, dass Fairplay und die Wahrheit auf der Strecke bleiben. In Schmutzkampagnen entfernt man sich weit von der Sache, um die es eigentlich gehen sollte.

Kompromiss – die schlechteste aller guten Lösungen

Im günstigen Fall kommen die Kontrahenten oder Lager früher oder später zur Vernunft und man findet einen Kompromiss – also einen Mittelweg, bei dem beide Seiten etwa gleich viele Abstriche machen. Ein Kompromiss ist aus meiner Sicht immer nur ein Notbehelf, wenn man nichts Schlaueres findet. Denn im Grunde ist ein Kompromiss eine Lose-lose-Lösung (Verlust-Verlust-Lösung).

Kreative Synergielösungen

Befriedigender sind Synergielösungen, die ein Win-Win generieren. Das häufig zitierte Lehrbuchbeispiel erzählt von zwei Schwestern, die sich um eine Orange streiten. Im Streit ist die Perspektive des 2-Alternativen-Denkens dominant: „Bekomme ich die Orange oder Du?“.

Der Kompromiss wäre die Lösung, dass man geschwisterlich teilt, dass also jede Schwester auf eine Hälfte verzichtet (lose-lose).

Josef Maiwald Bild191207b Kreative Synergielösung und Win-Win

Eine 3. Alternative, also eine kreative

Synergielösung lässt sich nur finden, wenn die Schwestern nicht nur ihre Position „Ich möchte die Orange“ erklären, sondern wenn sie sich gegenseitig ihr Anliegen verständlich machen. Hierzu ist empathisches, achtsames Zuhören erforderlich. Im Lehrbuch sind die Schwestern dazu natürlich in der Lage. Sie erfahren daher, dass eine die Orangenschale als Gewürz für einen Kuchen benötigt und die andere Fruchtfleisch und Saft für einen leckeren Drink. Die elegante Synergielösung kann folglich so aussehen, dass zuerst die eine Schwester so viel Schale in ihren Teig reiben darf wie sie will und dass sie anschließend die komplette Orange der Schwester übergibt, die sie für ihre Zwecke nutzen kann.

Soweit das Lehrbeispiel. Haben Sie schon einmal in der gemeinsamen Lösungsfindung erlebt, dass Sie mit bestimmten Vorstellungen in ein Gespräch gegangen sind, dass sich durch die Gesprächspartner neue Gesichtspunkte ergaben? Und dass durch das gemeinsame Brainstorming und Arbeiten an Lösungsansätzen schließlich eine
Lösung ergab, die das Prädikat „smarte Synergielösung“ verdient? 

Wenn ja, dann heißt das, Sie haben ein echtes Win-Win generiert und die Beteiligten konnten sagen: „Die nun gefundene Lösung gefällt mir viel besser als das, was ich
ursprünglich im Sinn hatte.“

Vorteile von Win-Win-Lösungen

Solche Win-Win-Lösungen haben erhebliche Vorteile. Hier nur ein paar wenige Vorteile, Ihnen fallen bestimmt noch viel mehr ein:

  • Die Gruppe wird nicht gespalten in Gewinner und Verlierer.
  • Alle Beteiligten sind zufriedene Gewinner.
  • Das gemeinsame Erfolgserlebnis motiviert zur weiteren konstruktiven Zusammenarbeit.

Vielleicht stimmen Sie mir zu, dass es im Vergleich zu einem Erfolg für sich selbst viel erfüllender ist, wenn man ein Ergebnis erreicht, das einen selbst und auch die
Gesprächspartner zufrieden stimmt.

Im Übrigen sind solche Lösungen, die nur Gewinner kennen, nicht nur für den Moment gut, sie sind auch nachhaltiger. Bei einer Synergielösung gibt es keinen Grund, das Ergebnis nachträglich anzuzweifeln, nachzukarten oder die vereinbarten Maßnahmen zu boykottieren.

Tipps zum Entwickeln von Synergielösungen

  1. Legen Sie sich nicht vorschnell auf eine Position fest, die Sie „durchboxen“ wollen – schon gar nicht, bevor Sie die Vorstellungen der Gesprächspartner verstanden haben.
  2. Positionen der Gesprächspartner hinterfragen: Was sind die Anliegen die zu einer bestimmten Position geführt haben?
  3. Gibt es alternative Lösungen, die diese Anliegen auch oder vielleicht sogar besser erfüllen?
  4. Nehmen Sie Anliegen und Bedürfnisse der Gesprächspartner ernst. Haben Sie ein echtes Interesse am Gesprächspartner. Covey schlägt vor: erst verstehen und dann verstanden werden. Im Alltag sind viele Menschen leider nur darauf bedacht, ihre Sichtweise darzustellen. Empathisches Zuhören ist wichtig, um nachvollziehen zu können, worum es den Gesprächspartnern geht.
  5. Verlassen Sie sich nicht nur auf Empathie und Gesprächstechnik. Lernen Sie auch Methoden, die helfen in einem kreativen Prozess Synergielösungen systematisch zu generieren. Eine besonders mächtige Methode ist das Systemische Konsensieren.

Dieser Artikel ist ein Auszug aus meinem Buch „Smart entscheiden„

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