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Wie ich mein Trainerbusiness strategisch angehe

Kaj-Arne Hennig

Trainer werden gerade mit Softwareangeboten überschüttet. Ganz viele verlockende Angebote, wenige Euro im Monat und alle scheinen das gleiche zu versprechen. Was allen fehlt ist eine vernünftige Analyse Deiner Strategie. Strategie fängt nie bei Software an. Sie ist nur ein Lieferant für Dein Business.

Eine langjährige Trainerkollegin kam auf mich zu und meinte Sie wolle nicht mehr so viel Reisen. Sie wolle Ihr Geschäft von aus Mallorca betreiben. Ihre Inhalte sollten digital gehen und damit wolle Sie Ihren Umsatz machen. Sie arbeite an einer digitalen Strategie. Sie komme aber nicht gut voran

Niemand zahlt für Wissen oder Informationen. Im Internet werden so viele Informationen gratis angeboten, dass niemand bereit ist dafür zu zahlen.

Trainings sind Lernbegleitung und Übung. Wenn Teilnehmer das selber könnten, wären  wir Trainer schon seit 20 Jahren ohne Aufträge. Du bist also nicht allein, dabei ist es nur schwer den Überblick zu behalten.

Stell dir folgende Fragen,

  • Trainiere ich Wissen oder Verhalten oder Einsicht?
  • Vermittele ich in Gruppen?
  • Was ist meine einzigartige Methode?

Wissen lässt sich gut in Lernvideos verpacken. Die Lernspuren sind meist kaum vorhanden oder brauchen hohe Lernmotivation.

Verhalten lernen wir durch Ausprobieren, Nachmachen und Feedback. Das erfordert mindestens ein Vorbild und einen Beobachter. Damit fallen Lernvideos aus.

Einsicht wird durch gute Fragen z.B. im Coaching erreicht. Ein gutes Coaching ist mehr als eine Frage, es ist ein Prozess mit einem offenen Ergebnis. Das lässt sich kaum mit Lernvideos abbilden.

Willst Du synchron oder asynchron arbeiten?

Die Grundfrage ist also ob Du synchron oder asynchron arbeiten willst.

Asynchron heißt, Dein Geschäft verschiebt sich weg von Teilnehmern hin zu Marketing und Produktion von Inhalten. Nur weil alle das machen oder gerade keine Präsenztrainings anstehen, ist das noch keine Strategie.

Strategien gehen immer von Annahmen oder Szenarien aus. Wir gehen hier davon aus, dass Du zumindest einen Teil Deiner Trainingszeit mit Menschen verbringen willst. Eventuell wirst Du Einheiten Online durchführen, weil es

  • vom Auftraggeber gefordert oder
  • Teilnehmer im Homeoffice sind oder
  • didaktisch besser ist

Was brauchst Du damit ein Online-Training funktioniert?

  • Ein Tool um deine Teilnehmer vorab kennen zu lernen
  • Ein Tool um Deine Teilnehmer zu sehen
  • Ein Tool um Unterlagen zu verbreiten
  • Ein Tool um Feedback und Transfer zu ermöglichen

Die einfachste Form wäre das Telefon. Allerdings würde alles auf der Tonspur laufen. Für eine Analyse oder ein Coaching ein gängiges Instrument. Gruppenarbeit und Interaktion wird dann schwierig. Visualisierung muss irgendwie vorher oder hinterher erfolgen. Technischer Aufwand gering.

Dann wäre da noch die E-Mail. Du sendest Fragen, Bilder, Videos oder Handbücher an die Teilnehmer. Die bearbeiten das und antworten Dir. Das kann heute mit Instant Messaging sogar per Chat gemacht werden. Dann können die Teilnehmer die Antworten der anderen sehen oder per PM (persönlicher Nachricht) Fragen stellen. Technischer Aufwand mittel. Es müssen Gruppen gebildet und Kontaktdaten ausgetauscht werden.

Online-Meetings sind erst einmal nur Bildtelefone. Wenn man die Funktionen Chat, Zeichen, Freigabe von Dokumenten, Ton und Bild steuern erst einmal beherrscht, wird es einfach. Es gibt eine sehr starke Verlagerung auf das Bild. Ohne Mitschreiben gibt es kaum Lernspuren.

Im Trainingsraum ist der Trainer groß und der Flipchart klein. Im Online-Meeting ist die Folie riesig und der Trainer nur ein ganz kleines Bewegtbild. Das erfordert neue didaktische Fähigkeiten und erheblich mehr Vorarbeit und Planung. Spontan ein Dokument suchen und vor 15 Teilnehmern nicht gleich zu finden ist Stress pur.
Fazit: Technischer Aufwand hoch.

Was leisten Webinarplattformen

Webinarplattformen integrieren viele uns bekannte Medien. Es gibt Whiteboard, Abstimmungs- und Umfragetools, Gruppenräume. Der Unterschied ist, dass vor größeren Teilnehmerzahlen gearbeitet werden kann. Es ist immer noch live. Eine Gruppe mit Interaktion, Austausch und Feedback ist das nicht mehr unbedingt.

Viele machen Aufzeichnungen von Ihren Webinaren und verschicken das an die Teilnehmer.

Das ist genau wie mit den Fotoprotokollen nach einem Training. Die schaut keiner mehr an.

Wer vor großen Gruppen trainieren will und Aufmerksamkeit und Interaktion sicherstellen will, hat im Online-Training deutlich mehr didaktische und vorbereitende Aufgaben als im Präsenz-Training. Sobald die Teilnehmerzahl steigt, wird die Interaktion mit dem Trainer weniger. Das kann - gut gemacht - teilweise durch die Interaktion der Teilnehmer ersetzt werden.

Damit sollte der Trainer sein Mindset neu justieren. Teilnehmer werden sich mangels Gruppendynamik ausblenden. Eine Kollegin nennt das "Digitales Wachkoma".

Das Feedback für Übungen muss schriftlich angeleitet werden. Die Durchführung verlagert sich auf die Teilnehmer. Der Trainer muss in erheblichem Maße Prozesssteuerung und Spontaneität abgeben. Dafür gewinnt er Möglichkeiten hinzu, die nur Online möglich sind.

Kursplattformen erlauben asynchrone Teilnahme. Jeder in seiner Geschwindigkeit und wann er mag. Inhalte werden vorproduziert und auf einer einheitlichen Plattform zur Verfügung gestellt. Videos, Handbücher, Tests, Zertifikate, Umfragen, Chats alles wird über eine Plattform zugänglich. Das erfordert neue Kompetenzen in erheblichem Umfang bei Marketing, Vertrieb, Didaktik, Tools, Zugang und Abrechnung. Die Anbieter versprechen, dass das leicht ist. Ein Risiko ist, wenn der Anfangs kostenlose Zugang plötzlich sehr viel teurer wird. Ein Umzug auf eine andere Plattform ist dann eine Barriere.

Fazit

Je nach Strategie verlagert sich online die Trainerkompetenz bei Didaktik, Interaktion und Konzeption stark auf Text und Bild. Trainings werden nicht mehr von 9-17 Uhr stattfinden, sondern aus 3 Phasen bestehen:

  • Vorbereiten und Kennenlernen
  • Gemeinsame Übungen Online
  • Nachgelagerter Transfer und Gruppenarbeit

Das kann fast beliebig in Microlearnings unterteilt werden. Allerdings sind mehrere Trainings an einem Tag, für mehrere Gruppen vom Trainer schwer umsetzbar.

Es gibt also strategische Optionen

Die Aufgabe ist es, den Kunden zu vermitteln, dass bei weniger Präsenzzeit sehr viel mehr Vorbereitung erforderlich ist.

Trainer die ihre Inhalte teilen und Online vermarkten. Sie werden über Masse gehen müssen, weil die Renditen Online geringer sind. Es ist nur mit viel Marketing zu erklären, warum man den gleichen Tagessatz für mehr Teilnehmer nimmt, wenn weniger menschliche Interaktion stattfindet.

Trainer die Online so viel Interaktion, Transfer und Gruppenerfahrung ermöglichen, wie sie es aus dem Präsenztraining kennen. Auch hier werden die Kunden Erklärungsbedarf haben, warum weniger Präsenz den gleichen Tagessatz kostet.

Zwei neue strategische Kräfte treten auf

Plattformen und Softwarelieferanten die eine Marktmacht gewinnen und bei Trainern Gewinne abschöpfen. Es werden auch neue Wettbewerber auftreten, die jenseits von Trainingskompetenzen auf Kunden zugehen und hunderte von Trainings auf einmal anbieten. Die gleichen Trainings, die der Trainer vorher online gestellt hat. Einen Kundenzugang gegen diese Marktmacht zu bekommen wird nicht einfach.

Trainer sollten das machen, was sie gut können: Den Zugang zu Kunden und Teilnehmern suchen und zeigen, dass die Kommunikation von Mensch zu Mensch wichtiger ist, als Plattformen, Lernvideos und Software.

Menschen mögen Menschen, auch wenn das Online stattfindet.

 

Der Autor:

Kaj-Arne Hennig ist seit 20 Jahren Unternehmensberater und Experte für Mitarbeiter am Telefon. Seine Maxime lautet „Mitarbeitern den alltäglichen Wahnsinn am Telefon leichter machen“. Er sammelte seine Erfahrungen als Interimsmanager, Bereichsleiter und Geschäftsführer in Call Centern. Als Autor, Trainer, Redner und Moderator hat er diverse Artikel zu Personal, Training und Telefonverkauf veröffentlicht.

Bildnachweis: Kaj-Arne Hennig