Dr. Wolfgang Fuhr

Was heißt es Unternehmen nach Werten zu führen und warum sollte dies ein Unternehmen tun? Zwei zentrale Fragen, deren kurze und präzise Beantwortung sicher nicht einfach, aber dennoch zur Verständniserleichterung hier versucht werden soll. Interessant sind beide Fragen deshalb, weil das Konzept der werteorientierten Unternehmensführung vielfach in Deutschland (noch) relativ wenig bekannt ist und zum zweiten weil es Indikatoren gibt - nicht nur über die jüngsten und weithin bekannten Wirtschaftsskandale - die darauf verweisen, dass das Bewusstsein und die Kompetenz vieler Führungskräfte in ethischen Fragen, entwicklungsfähig ist.

Was heißt es Unternehmen nach Werten zu führen?

Das Konzept der werteorientierten Führung basiert u. a. auf der Erkenntnis, dass ein Unternehmen, verstanden als eigenständiger Akteur, nicht ohne moralisch einwandfreie Reputation auf Dauer im Markt erfolgreich sein kann. In einer Zeit der Wissensgesellschaft, zunehmenden Komplexität, Dynamisierung und Globalisierung der Märkte sowie einer ethisch sensibilisierten Öffentlichkeit wird unternehmerische Integrität und effektive Zusammenarbeit in und zwischen Unternehmen immer erfolgskritischer. Dies kann nur auf der Basis von (ethischen) Werten gelingen, wenn Vertrauen und Glaubwürdigkeit zwischen den verschiedenen Akteuren erreicht werden soll. Zugleich wirken Unternehmenswerte identitätsstiftend, handlungsleitend und kulturprägend. Leistungsfördernd wirken diese insbesondere dann, wenn sich die Organisationsmitglieder mit den Werten im Sinne einer Wertegemeinschaft identifizieren (können).

Werteorientierte Führung richtet ich an das Unternehmen als Organisation und an das Individuum als Persönlichkeit

Werteorientierte Unternehmensführung zielt auf die langfristige, d.h. nachhaltige Sicherung des Unternehmens im ökonomischen, juristischen, ökologischen und gesellschaftlichen Sinn ab. In der Sache beinhaltet werteorientierte Unternehmensführung die durchgängige Einführung und Verankerung eines „Wertemanagements“ (J. Wieland) über die Vision, Mission, die (BSC) Ziele, die Strategie, die Führung und die Prozesse, wobei der Unternehmensleitung eine zentrale Rolle im Sinne des Vorbildgedankens zukommt. Damit wird ersichtlich, dass werteorientierte Führung einerseits auf das Unternehmen als Organisation und andererseits auf die persönliche Ebene, das Individuum abzielt.

Führen auf der Basis von Unternehmenswerten orientiert sich an den handlungsleitenden Unternehmenswerten

Führen auf der Basis von Unternehmenswerten bedeutet, dass sich Führungskräfte ganz bewusst durch Selbstverpflichtung und Selbstbindung an den handlungsleitenden Unternehmenswerten orientieren, diese zur Grundlage ihres (Führungs-) Handelns machen und somit zu wesentlichen Kulturträgern der Organisation werden. Das unternehmerisches Handeln selbst erfolgt auf der Basis bzw. entlang der Werte und stellt ab auf die Zufriedenstellung der Stakeholder, d. h. den Bezugsgruppen des Unternehmens. Konkret auf die Anteilseigner, die Kunden, die Mitarbeiter, die Lieferanten sowie die Gesellschaft. Damit wird zugleich der Unterschied zu einer rein auf den shareholder-value Ansatz abzielenden Unternehmensführung deutlich.

Die Führungskräften tragen als Vorbild eine besondere Verantwortung

Die Einführung der werteorientierten Unternehmensführung ist als Prozess zu verstehen, der nicht kurzfristig zu realisieren und zum „Nulltarif“ zu haben ist. Der nachhaltigen Wirksamkeit geht eine nachhaltige und als Prozess verstandene durchgängige und organisationsdurchdringende Verankerung eines konsistenten Wertemanagements voraus. Dabei fällt den Führungskräften in der bewussten Wahrnehmung ihrer Vorbildfunktion eine besondere Verantwortung zu.

Was hat ein Unternehmen davon, wenn es werteorientiert geführt wird?

Diese Frage soll entlang den Stakeholdern idealtypisch und exemplarisch beantwortet werden mit abschließenden Hinweisen zur empirischen Beweisführung. – Unternehmen sind auf Dauer erfolgreich, wenn sie ihre Bezugsgruppen zufrieden stellen. Im Gefolge einer werteorientierten Unternehmensführung ergeben sich daraus folgende Vorteile/Nutzenpotentiale ...

I. bezogen auf die Mitarbeiter ...

  • eine höhere Attraktivität als Arbeitgeber für potentielle Bewerber, da gerade hochqualifizierte, jüngere Fach- und Führungskräfte großen Wert auf eine Unternehmens- und Führungskultur legen, in der Werte wir Integrität, Wertschätzung, Offenheit, Fairness usw. gelebt werden.
  • geringere Fehlzeiten wegen Krankheit und Blaumachen aufgrund einer werteorientierten und wertschätzenden Führung, die jedem Mitarbeiter seine Bedeutung für den Gesamterfolg des Unternehmens deutlich macht.
  • geringere Fluktuation der Mitarbeiter, insbesondere dann, wenn die Unternehmenswerte ein hohes Maß an Identifikation für die Mitarbeiter ermöglichen, d. h. wenn die gelebten Unternehmenswerte mit denen der Mitarbeiter übereinstimmen.
  • eine größere Leistungsbereitschaft bzw. Motivation der Mitarbeiter sich für das Unternehmen einzusetzen, wenn Unternehmensleitung und Management in ihrem Führungshandeln glaub- und vertrauenswürdig ist.
  • ein hohes Qualitätsbewusstsein, welches aus einer intrinsischen Motivation der Mitarbeiter gespeist wird, weil Verantwortungsbewusstsein und Selbststeuerung Grundpinzipien eines besonders effizienten Qualitätsmanagements darstellen.
  • höhere Zufriedenheit der Mitarbeiter, nicht nur aus materiellen Erwägungen, sondern auch oder gerade aus immateriellen Gründen, woraus der Wille, sich langfristig an das Unternehmen zu binden, gestärkt wird.


II. bezogen auf die Kunden ...

  • eine hohe Marktattraktivität, da Kunden lieber bei solchen Unternehmen einkaufen, die in ihrem Geschäftsverhalten integer, fair und zuverlässig sind, immer vorausgesetzt, dass die Produktqualität den hohen Kundenanforderungen entspricht.
  • ein ethisch einwandfreies Markenimage, welches mehr Kunden erreicht, Brandmanagement wird erleichert und erfolgsträchtiger.
  • langfristige Kundenbindung, denn zufriedene und wertgeschätzte Kunden kommen wieder und kaufen auch in Zukunft.
  • gute Voraussetzungen für Neukundengewinnung, denn nichts ist so wirksam wie persönliche Empfehlungen/Referenzen.
  • zufriedene Kunden bezahlen erhaltene Leistungen zuverlässig und pünktlich.
  • leichtere Handhabbarkeit von Problemen und Konflikten, z. B. im Gefolge von Reklamationen, da Fairness im Umgang mit Kunden in aller Regel eher zu einer stärkeren Kundenbindung denn zu einem Kundenverlust führt.

III. bezogen auf die Lieferanten ...

  • gelebte Partnerschaft mit den Lieferanten reduziert die Transaktionskosten, wenn gegenseitiges Vertrauen die Geschäftsbeziehung prägt.
  • ein fairer Umgang mit Lieferanten ermöglicht das gemeinsame Durchstehen konjunktureller Risiken und Krisen.
  • langfristige Lieferantenbeziehungen sichern Stetigkeit und Nachhaltigkeit der eigenen Leistungen.

 

IV. bezogen auf die Kapitalgeber / Anteilseigener  ...

  • eine auf Nachhaltigkeit abzielende Unternehmensstrategie begünstigt eine langfristige Sicherung des Unternehmens und damit attraktive Renditen.
  • geringere Krisenanfälligkeit und einen guten Ruf machen das (werteorientierte) Unternehmen attraktiv für Investoren.
  • der gute Ruf beeinflusst bei börsenorientierten Unternehmen den Aktienkurs.
  • Unternehmensstabilität wird von den Anteilseignern mit Treue belohnt.

 

V. Vorteile/Nutzen bezogen auf die Gesellschaft / Öffentlichkeit ...

  • über positive Medienberichte in der Lokal- und Fachpresse werden potentielle Kunden aufmerksam.
  • als gesellschaftlich, ökologisch und sozial handelndes Unternehmen wird das Image und Ansehen gesteigert und damit die Stellung in der Gesellschaft.
  • bei ökonomischen Krisen hat das Unternehmen es leichter, Unterstützung aus Gesellschaft, Politik und Wirtschaft zu erhalten.

 

Werteorientierte (Unternehmens-) Führung auf Basis ethischer Werte ist ein strategische Erfolgsfaktor erstens Ranges

Obgleich es bis heute nicht gelungen ist, einen methodisch allgemein anerkannten wissenschaftlichen Beweis zur Wirksamkeit der werteorientierten Unternehmensführung vorzulegen, so gibt es andererseits eine Fülle von Indikatoren und Studien, die eine solche Annahme bestätigen bzw. stützen. So haben schon J. Kotter und J. Heskett, Professoren der Harvard Business School 1991 in einer Langzeitstudie festgestellt, dass „wertegetriebene Unternehmen“ in einem Zeitraum von 11 Jahren ein viermal höheres Umsatzwachstum hatten und einen Aktienkurs, der zwölfmal stärker anstieg als der Kurs vergleichbarer Unternehmen. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen James C. Collins und Jerry I. Porras. Sie fanden heraus, dass ein stabiles Wertesystem der Schlüsselfaktor für nachhaltigen Erfolg sei. Eine Reihe weiterer Untersuchungen haben inzwischen die These von der Wertewirksamkeit zu einer Erkenntnis erhärtet, die kaum mehr bestritten werden kann. Besonders bekannt wurden in Deutschland die Untersuchungen von Rolf Berth (1995) und die Studie von Booz Allen Hamilton (2003), nach der 150 führende Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz befragt wurden. Davon bejahten 95% der Befragten, dass Werte einen wirtschaftlichen Nutzen generieren (siehe zu den ganannten Daten Vogelsang/Burger 2004). Weitere Studien folgten, siehe dazu auch die Untersuchung von Deep White (2003) in Verbindung mit dem MCM Institut St. Gallen, nach der unternehmerischer Geschäftserfolg und eine ausgeprägte Wertekultur signifikant miteinander korrelieren.

Bei der entscheidenden Frage, ob es sich für ein Unternehmen lohnt, werteorientiert aufzustellen, sprechen die „harten Fakten“ nach dem heutigen Erkenntnisstand eher eindeutig dafür und widerlegen die - nach wie vor in weiten Kreisen der Wirtschaft - verbreitete Meinung, nach der Werte und Ethik in einer harten Wettbewerbswirtschaft keinen Platz hätten. Das Gegenteil ist der Fall, wenn das Prinzip der Nachhaltigkeit an die Stelle kurzfristigen (Erfolgs-) Handelns tritt. Werteorientierte (Unternehmens-) Führung auf Basis ethischer Werte ist ein strategische Erfolgsfaktor erstens Ranges geworden. Dabei stehen wir in Deutschland, was die Umsetzung angeht, erst am Anfang einer Entwicklung, andere Länder sind da schon weiter.

Dr. Wolfgang Fuhr


Dr. Wolfgang Fuhr (Jg. 1950), Volkswirt und Unternehmensberater mit Spezialisierung auf das Thema Werte, ist auch Initiator und Organisator des Bad Emstaler Werte-Kongresses (www.werte-kongress.de).

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