Es wird immer wieder davon gesprochen, dass wir im Westen viel vom Fernen Osten lernen können.
An allen Ecken schießen neue sinnstiftende Schulen aus dem Boden mit neuen Ideen und neuem Denken zu Körper, Geist und Seele.

Es scheint offensichtlich ein Bedürfnis danach zu geben.

Wie sieht unser beruflicher und privater Alltag heute aus?
In unserem Leben scheint es uns schwer, eine innere Balance zwischen unseren persönlichen Bedürfnissen und der berufliche Einbindung zu finden.

Dazu ist unsere unternehmerische Wirklichkeit mittlerweile zu komplex:

„Die explosionsartige Vermehrung des Wissens führt dazu, dass wir immer mehr an Details gewinnen, uns aber anscheinend in diesem Detailrausch der Sinn für die Gesamtschau, für die Zusammenhänge und für den Sinn immer mehr verloren geht. (…) Parallel dazu ist die Gesellschaft, die sich im Zustand fortschreitender seelischer Anämie und geistiger Erosion befindet von einer unglaublichen Sehnsucht nach Spiritualität geprägt.“
(Zink und Barz 2001/2002)
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Seitens der Arbeitnehmer wächst in vielen Organisationen das Misstrauen ins Management. Zu oft wurden zu offensichtlich die eigenen Interessen vor die Unternehmensinteressen gestellt. Eingebunden in dieses Umfeld wird das Managen der Veränderung in unseren Unternehmen immer mehr zum Drahtseilakt. In unserer sehr schnelllebigen Zeit, getrieben von den Veränderungsprozessen haben wir den Anspruch, diese Veränderung nicht nur zu leben, nein wir wollen sie auch noch vorantreiben. Dabei übersehen wir, dass wir selber die Getriebenen sind und längst nicht mehr das Ruder in unseren Händen halten.
Wir beschleunigen mehr und mehr und merken nur am Rande, dass „irgendetwas“ fehlt, das uns noch wichtig war.

Doch schon ist der Moment verflogen und wir sind von unserer nächsten, scheinbar wichtigeren, Aufgabe eingefangen.

Um den beruflichen Anforderungen gerecht zu werden, probieren wir Neues aus, erlernen neue Techniken und Methoden und werden immer besser in unserer fachlichen Kompetenz.
Die nächste Ausbildung, das nächste Selbstmanagement-Seminar, das nächste Führungskräftetraining.
Wie wäre es mit Körpersprache, den neuesten Methoden die eigene Zeit zu managen, Teamentwicklung einmal anders?

Was darf es heute sein vom Speiseplan des Bildungsmarktes?

Werkzeuge, ausgezeichnete und erprobte gibt es viele im Markt.

„Die meisten Unternehmen haben eine systematische Auswahl an Themen und breit gefächerte Qualifizierungsprogramme, die auf umfangreichen Bildungsanalysen basieren. Leistungs- und Potentialbeurteilungen beinhalten fast ausnahmslos die Rubrik “Qualifizierungsmaßnahmen“  Auch das Topmanagement hat die Bedeutung von Qualifizierung erkannt. Das Fazit: Das Management ist und wird im Durchschnitt gut qualifiziert“
(Zink 2002)

Wie viele Qualifizierungsmaßnahmen haben Sie schon ausprobiert und was davon hat Sie persönlich, nachhaltig weitergebracht? Wenn die fachlichen Qualifizierung nicht die gewünschten Ergebnisse bringt, was bleibt dann noch?

Wir leben in einer Zeit in der wir funktionieren müssen.
Unser Geist wird gefordert und der Körper muss parieren.
Den Körper spüren wir meist erst dann, wenn er nicht mehr so will wie wir wollen.
Und unsere Seele? Wann haben wir Zeit, sie zu spüren?

Betrachten wir das Thema aus einer anderen Perspektive.
Wie gehen Menschen in anderen Kulturen mit diesen Herausforderungen um?
Wie lösen  andere Völker den Zwiespalt von beruflicher Anforderung einerseits und Bedürfnis nach innerer Ruhe andererseits?
Auf der anderen Seite unserer Erdkugel, in China, hat die Entwicklung, den Menschen zu betrachten, einen anderen Verlauf genommen und andere Schwerpunkte gesetzt.
Am Beispiel der chinesischen Medizin wird dies schnell deutlich.
Sie sieht den Menschen als einheitliches Zusammenspiel von Körper, Geist und Seele.
Dringt Krankheit auf einer der drei Ebenen in uns ein, wirkt sich dies, nach chinesischer Sicht, unweigerlich auf den anderen Ebenen aus. Achtet man zu wenig auf den geistigen, körperlichen oder seelischen Ausgleich wird man körperlich krank, geistig verwirrt  oder seelisch haltlos.

In unserer Kultur ist das „Burn Out Syndrom“ ein bekanntes Beispiel für ein Ungleichgewicht der genannten Ebenen.
Auch spüren viele von uns ein geistiges und seelisches Suchen nach Wert und Halt.
Das Wertsystem unserer Gesellschaft hat sich verändert.
Das „manager magazin“ schreibt in seiner Ausgabe 06/02 sinngemäß, dass der Wertekanon, ehemals Fundament „von Sittlichkeit, Ehrlichkeit und Fairness“ einem rigorosen Egoismus weicht. So wird Joachim Milberg, Vorstand von BMW, mit seiner Forderung  zitiert: „ Vertrauen und Verlässlichkeit brauchen wir dringender denn je“.

Aber wie können wir wieder Vertrauen und Verlässlichkeit erlangen?

In China lehrt der Chan Buddhismus (der Ursprung des ZEN) innezuhalten und sich immer wieder Zeit zu nehmen, sich im Hier und Jetzt, auf die eigene innewohnende Stärke zu beziehen.
Diese uns innewohnende Stärke wird oft mit innerer Form beschrieben.
Im übertragenen Sinne, den Geist zu schärfen, sich zu fokussieren und das Notwendige zu tun.

Gemeint ist damit:“ Klarheit, Achtsamkeit, Kraft und Energie aus meiner eigenen Inneren Ruhe und Gelassenheit, wie auch Mut, Hingabe und vollkommene Aufrichtigkeit. Es beinhaltet meine persönlichen Potenziale und mein wahres Selbst zu erkennen und verlangt nach „Konzentration auf das Wesentliche“ (Zen-Institut(2002:4))

Ji Sihn Sihm Si der letzte Abt des Shaolin Klosters drückte dies, in seinen formulierten Weisheiten über die Kampfkünste mit SIK und DAM(siehe Kasten), aus.

Um an Geist, Körper und Seele gesund zu bleiben und/oder zu werden, ist es notwendig auf der Basis dieser Inneren Form zu handeln.
Neben der beschriebenen inneren Form gibt es noch die äußere Form. Die äußere Form zeigt unsere Fähigkeiten, das äußerlich Sichtbare, die stetige Wiederholung des Gleichen.
Äußere und Innere Form sind verschieden und doch bilden sie zusammen eine Einheit.
So benötigen wir für gesundes und exzellentes Handeln Methoden, Werkzeuge und Techniken, aber auch die richtige Einstellung zu uns und unserer Mitwelt.

In anderen Bereichen haben wir durchaus gelernt diese Balance zu finden. So wird inzwischen in sportlichen Disziplinen „über den Tellerrand hinausgesehen“. Dort arbeitet der „Mentalcoach“ mit seinen „Schützlingen“ auch an dem inneren Potential von Ruhe und Kraft und unterstützt die Sportler so zu Höchstleistungen.

Ich sprach im ersten Artikel über die Prinzipien der Kampfkünste aus Süd Shaolin und deren Nutzen für unseren beruflichen Alltag.

Bei der Anwendung der Prinzipien der Kampfkünste im Sinne des Chan beruht unser Handeln auf der inneren Form und auf Demut und Mitgefühl. Dies bildet das ethische und moralische Rückgrat der Anwendung dieser Prinzipien.
Dies ist nicht einfach. Wir haben andere Werte gelernt in unserer Gesellschaft, in unserem Arbeitsalltag.
Deshalb ist es notwendig jeden Tag, jeden Moment sich zu üben. Sich üben mit Mut und Demut im Hier und Jetzt zu Sein. Die asiatischen Kampfkünste
sind eine bewährte Möglichkeit, die Innere und die Äußere Form in Einklang zu
bringen. Wenn uns das gelingt, dann sind wir auf dem Weg zu innerer und äußerer Gesundheit.

Michael Berger

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