barbara messer 2013

Ein Ausflug in die moderne Suggestopädie

Merk-würdig trainieren

Barbara Messer

Beim „Merkwürdigen Trainieren" geht es nicht nur darum, methodenreicher zu arbeiten oder ein neues Spiel in das Training zu integrieren. Es geht darum, vertiefende Lernprozesse zu schaffen, in denen Wachstum, Eigenverantwortung, Erkenntnis und Freude erreicht werden. Wer so lernt, des-sen Gehirn ist lernhungrig und lernt gerne!

Das Sams, die kleine, blaue, quirlige und unkonventionelle Figur im blauen Anzug, die von Paul Maar ins Leben gerufen wurde, sagt in einem der Sams-Filme „Es ist würdig, sich das zu merken“. Recht hat das Sams damit – zumindest in meinen Augen.

Durch die „Würde“, die wir einem Inhalt oder ein Aspekt des Trainings geben, indem wir ihm Aufmerksamkeit schenken, z.B. durch Inszenierungen oder vielfältige Betrachtungen, wecken wir das Interesse beim Lernenden.

Die benötigte „Merkwürdigkeit“ erreichen wir durch eine bewusste Auswahl an speziellen Interventionen. Damit Inhalte wirklich würdig werden, sie sich zu merken, müssen sie interessant dargeboten werden. Das zu Lernende muss mit allen Sinnen aufgenommen, um die Merkfähigkeit zu erhöhen.

Ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist dabei, dass das Wissen so aufbereitet ist, das unser Gehirn größtmöglich profitieren kann.

Ralf Besser, ein bekannter Kollege, hat mich mit seinem Wissen über das Gehirn inspiriert. Ich möchte ein paar seiner Erkenntnisse für ein „merkwürdiges Trainings“ hier verraten.

Surprise – unser Gehirn mag Überraschungen

Das klingt doch verlockend, nicht wahr? Unser Gehirn lernt dann am besten wenn etwas Auf­regendes und Neues passiert. Durch neue Erfahrungen im Training können die alten Gedanken Autobahnen verlassen werden. Um das zu erreichen braucht es ein deutliches intensives Signal, so dass wir Vielversprechendes und Unbekanntes erleben können. Das können knackige, spannende Einstiege in den Tag sein, überraschende Aufgabenstellungen und fantasievolle Abschlüsse. Absicht dabei ist, dass die Teilnehmer Über­raschungen erfahren aber auch Ihr Verhalten und Denken vielfältig ausprobieren und erfahren können.

Unser Gehirn mag Übereinstimmung

Ralf Besser nennt das „Konsistenzregulation“. Unser Organismus strebt permanent nach einer Konsistenz, also Übereinstimmung. Man soll uns kein X für ein U vormachen. Im Training scannen wir gewissermaßen unter bestimmten Gesichtspunkten unsere Umgebung und Situation ab.
Finden wir Konsistenz, erleben wir Wohlbefinden.

Speziell unsere zentralen Bedürfnisse möchten - auch beim Lernen - erfüllt werden. Diese sind: Bindung, Lustgewinn, Erhöhung des Selbstwerts, Kontrolle und Ordnung.

Das bedeutet für das Training konkret:

  • Wir stellen immer wieder Möglichkeiten her, das Beziehungsgeflecht der Teilnehmer untereinander zu erweitern und zu verstärken.
  • Lust statt Langeweile - lustvolle Aktionen an denen alle Sinne beteiligt sind.
  • Die Teilnehmer brauchen Kontakt und Rapport auf Augenhöhe, Respekt speziell auch von ihrem Arbeitsalltag.
  • Gerade wenn es um Kreativität geht, brauchen sie auch Sicherheit, Struktur und Orientierung.
  • Seien sie konsistent, stehen sie zu ihrer Persönlichkeit und Vielfalt, seien Sie ehrlich und authentisch, also verlässlich.

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Humor ist ein sehr wirksamer Faktor beim Lernen und wirkt vieldimensional und positiv auf den Lernprozess

Angst bleibt Angst!

Einmal gelernte Angstmuster sind im Gehirn nicht mehr zu löschen! Das bedeutet aber nicht dass wir scheitern müssen. Im Gegenteil. Ab jetzt
können wir dafür sorgen dass die Teilnehmer positive Erfahrungen machen. Nun dürfen sie erleben dass sie auch angstfrei lernen können. Dazu braucht es eine gute, gesunde, reflektierte, wertschätzende, authentische Haltung auf Seiten des Trainers, aber auch zentrale Werte und Stimmungen wie zum Beispiel Humor, Freude, Neugier, Sicherheit und Transparenz. Eine gezielte Methodenauswahl sorgt zudem für positive Überraschungen wenn Sie sie richtig einsetzen. Desuggerieren Sie! Bauen Sie bewusst lernbehindernde Glaubenssätze ab. Dazu schreibe ich weiter unten noch etwas.
  • Seien Sie selber positives Beispiel: Leben Sie eine charmante Fehlerkultur. Zeigen Sie, wie Sie selber Ängste überwinden.
  • Machen Sie ernst damit eine liebevolle, wertschätzende, akzeptierende und humorvolle Stimmung im Seminar als „roten Teppich“ für alle auszulegen.

Das Gehirn liebt Vielfalt!

Am besten werden Inhalte mehrperspektivisch im Gehirn verarbeitet. Ralf Besser sagt, dass Inhalte, die aus verschiedenen Perspektiven verarbeitet werden, aus zwei Blickwinkeln betrachtet werden sollen. Zum einen braucht es die Bearbeitung von Regeln, Zahlen, Daten und Fakten, aber auch die intuitive Verarbeitung dieser Informationen. Dazu braucht es so etwas wie ein Nachdenken und eine Schätzung über mögliche Resultate und deren Bedeutung. So bekommt auch die Intuition Nahrung und das fördern wir stark, indem wir:
  • Chancen geben, über die Auswirkungen des neuen Wissens und Verhaltens auf zukünftige Situationen nachzudenken, sie also aktiv zum „Zukunft entwerfen“ anregen.
  • Gelegenheiten zum Probehandeln im Kopf geben, zum Beispiel durch das Durchspielen oder Durchdenken von „Als-ob-Situationen“ (durch Planspiele, Spiele, …). Das vermehrt den Transfererfolg.
  • Den Austausch untereinander anregen - ist Pflicht! Denn so können die Teilnehmer sich reflektieren und andere Sichtweisen zum Thema kennenlernen und entwickeln.
  • Bilder und Methapern einsetzen. Diese bringen ebenfalls eine andere Perspektive, aber auch Spiele, Aktionen, interaktive Methoden.

Unser Gehirn mag Muster und Regeln

Unser Gehirn sucht im Alltag und beim Lernen nach logischen Regeln, Abfolgen und Prinzipien. Bieten wir sie ihm doch einfach an. Denn beim Lernen greifen wir immer wieder auf die von uns erkannten Muster und Regeln zurück. Das können wir „merkwürdig“ unterstützen, indem wir:

  • Kernaussagen deutlich und konzentriert darstellen. Das Thema sollte klar fokussiert sein, incl. der verdeutlichten Wurzeln, Querverweise und Verbindungen. Knapp heißt aber nicht langweilig. Speziell durch den Aspekt etwas „merkwürdig“ aufzubereiten, dürfen wir effizient, konzentriert und fokussiert an ein Thema herangehen.
  • Aufgaben stellen, die es den Teilnehmern ermöglichen, Regeln, Muster und Prinzipien herauszufinden. Meine Trainerin meiner Weiterbildung zur Ausbildungstrainerin, sagte einer von uns Teilnehmerinnen, als sie eine Aufgabe einleitete: „Bitte macht es so, dass wir Zuschauenden uns immer daran erinnern werden!“ Ein anderer Trainer hätte vielleicht gesagt: „Macht es so, dass wir es nie vergessen werden!“ Welch ein Unterschied!

Wissen ist mit Emotionen verbunden

Wissen mit (am besten positiven) Emotionen zu verbinden, um es zu speichern ist nicht neu, oft jedoch wird diese Erkenntnis sträflich vernachlässigt. Wer mit positiven Emotionen lernt, setzt positive Hormonreaktionen frei, diese sorgen für eine nachhaltige Verankerung im Langzeitgedächtnis. An mit positiver Stimmung und Energie gelerntes erinnern wir uns gerne! Deshalb boomen Konzepte wie das Storytelling oder ausdrucksstarke Visualisieren & Co auch so. Die Menschen sind „gierig“ nach positiven Erlebnissen und Stimmungen. Negative Erinnerungen schieben wir doch eher weg, auch beim Lernen. Deshalb „Ärmel hoch“ und bewusst Kontrapunkte setzen. Finden Sie nette, herzliche, humorvolle, wertschätzende Ereignisse die positive Emotionen hervorrufen. Die Arbeit lohnt sich! By the way – auch Witze sind erlaubt!

Der Umzug vom Bewusstsein ins Unterbewusstsein

Der „Umzug“ von Gelerntem vom Bewusstsein ins Unterbewusstsein ist ein normaler Lernprozess auf den wir vertrauen dürfen. Unsere Großhirnrinde ist aktiv, wenn wir etwas Neues lernen. Dort entstehen neue Strukturen, Neuronen werden umfunktioniert und anderes mehr geschieht dort. Das ist richtig Arbeit für das Gehirn, deshalb erschöpft uns Lernen auch. Hat das Großhirn alle Aufgaben erledigt, kann das Wissen in die anderen Bereiche des Gehirns umziehen. Das ist sehr zweckmäßig eingerichtet. Nun ist wieder Platz und Neues kann verarbeitet werden. Das Unter­bewusstsein kümmert sich nun um den Rest.

Um bestmögliche Resultate zu erzielen braucht es beim Lernen:

  • Zeit und Raum: So können die Teilnehmer wirklich etwas lernen.
  • Deutliche und klare Interventionen, Methoden und Aufgaben: Das fördert eine effiziente Aufnahme der Daten. Dies gilt auch für Aufgabenstellungen und Arbeitsanweisungen.
  • Wiederholungen: Wer wiederholen darf, lernt besser. Interessante Erarbeitungs- und Selbst­lernphasen unterstützen diesen Umzugsprozess.
  • Reduktionen: Reduzieren Sie knackig. Die wesentlichen Aussagen in den Mittelpunkt stellen - wenig „Tam Tam“ als Füllstoff.
 Das waren jetzt einige gehirnrelevante Fakten, die mir wichtig sind und die ich in der Vorbereitung meines Trainings als roten Faden nutze!

Inhaltsbearbeitung und Verankerung wiederholen und rhythmisieren

Inhaltsbearbeitung und Verankerung finden bei mir wiederholt und rhythmisiert statt, so dass sich meine Teilnehmer im positiven Sinne mit dem Stoff befassen können. Dies verspricht den größtmöglichen Lernerfolg und ist die Voraussetzung dafür, dass die Lernenden das Gelernte auch wirksam in ihren Köpfen behalten.

Das fördert die Nachhaltigkeit des Lernprozesses und ermöglicht einen höheren Praxistransfer. Das Training wird so zu einem mehrdimensionalen Lernerlebnis, welches dadurch gekennzeichnet ist, dass Lehrende und Lernende interaktiv in das Geschehen eingebunden sind.

Auf der Grundlage der modernen Suggestopädie können wir sehr effizient und werteorientiert trainieren, denn sie gibt uns eine Fülle an konkreten Möglichkeiten.

Gerne nenne ich dieses pädagogische Konzept des „Merkwürdigen Trainierens“ auch „moderne Suggestopädie“. Für mich sind tiefere Quelle und Basis dieses – wie ich seit Jahren finde – hochkarätigen pädagogischen Konzeptes, die fünf Wirkfaktoren des suggestopädischen Lernens. In ihrer Symbiose sind diese fünf Wirkfaktoren der beste Schmierstoff für den Turbomotor Training.

Die 5 Wirkfaktoren des Suggestopädischen Trainings

1. Die Rhythmisierung (wechselnde Phasen von Aktivierung und Entspannung

Rhythmisierung sorgt für Abwechslung, schafft aktive und passive Phasen und wechselt auch in den Sozialformen)

2. Die Multisensorik

Lernen mit allen Sinnen meint ein konsequentes Aufbereiten des Stoffs für alle Lerntypen und Lernstile, sodass die wesentlichen Lernbedürfnisse der Teilnehmer befriedigt werden. Durch die multisensorische Aufbereitung der Inhalte entsteht zudem eine hohe Lebendigkeit, was ein wesentlicher Effekt von „merkwürdig“ trainieren ist.

3. Interaktion in der Gruppe

Gruppenprozesse werden durch den Einsatz wechselnder Sozialformen, durch unterschiedliche Aktivitäten und spielerische Methoden gefördert. Das ist wichtig und die Teilnehmer werden Ihnen hinterher sagen: „Die Gruppe war so toll!“.

Ich bringe Gruppen immer wieder in unterschiedlichen Konstellationen zusammen, mal als Einzel-, Partner-, oder Gruppenarbeit - ganz gleich, denn ich mische die Teilnehmer gerne untereinander, so dass sie neue Gruppen Erfahrungen machen.

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Suggestopäden schlagen sehr viel vor und bieten eine Fülle an Lernangeboten und Eindrücken

4. Musik

Musik ist sehr förderlich für den Lernprozess und nebenbei ein sehr wertvolles, einfaches Stimmungselement Musik stimmt auf verschiedene Phasen des Trainings ein, schafft Entspannung, unterstreicht Stimmungen, ist die Basis von Lernkonzerten und Inszenierungen.

Allerdings benutze ich persönlich Musik nur sehr selten. In suggestopädischen Sprachtrainings hat die Musik einen ganz anderen Stellenwert als in meinen Trainings. Ich benutze Musik für den Anfang und das Ende, um mich und die Teilnehmer positiv einzustimmen. Auch in der Pause spiele ich Musik, die eine gute Stimmung verbreitet. Dabei knüpfe ich an den biografischen Musikgeschmack meiner Teilnehmer an.

5. Desuggestion

Mit Desuggestion ist die mentale und psychische Vorbereitung und Öffnung der Lernenden gemeint. Lern-Blockaden oder -Barrieren werden bewusst abgebaut um im Gegenzug positive Lern-Erlebnisse zu fördern, wie Selbstvertrauen, Ressourcenwahrnehmung, Motivation und um die Freude am Lernen zu erhöhen.

Auch das hört sich für einige ein wenig befremdlich und psychologisierend an, ist im Traineralltag dann aber pures Handwerk, denn Desuggestion geschieht unter anderem durch eine gute Lernatmosphäre, die eigene Haltung und der persönliche Ausdruck des Trainers, die Methodenvielfalt und die peripheren Stimuli.

Suggestopädie = Einsatz der Vielfalt

Suggestopäden definieren „Suggestopädie“ gerne als „Vorschlagen“. Suggestopäden schlagen sehr viel vor, bieten eine Fülle an Lernangeboten und Eindrücken. Und genau das ist m.E. nach eine der wirksamsten Faktoren der Suggestopädie. Wenn man sich die Mühe macht, stellt man fest, dass viel da ist, was man verwenden kann. Wir können dann aus der Vielfalt schöpfen und Ereignisse vielfältig inszenieren und damit betrachten.

Die kreative Präsentation der Lerninhalte

Wir Trainer können eine Atmosphäre schaffen, in der sich Lern-Blockaden auflösen, sich verändern oder die die Teilnehmer sozusagen vor der Tür abladen können, diese also gar nicht im Training aktiviert werden.

Gute Lernsituationen ermöglichen den Teilnehmern einen Perspektivenwechsel, sie ermöglichen lustvoll-ertragreiche Lernerlebnisse und implizieren positive Selbstwahrnehmungen, wie „Ich kann es ja doch!“.

Neben der Gestaltung einer lernfreundlichen Umgebung, die unter anderem die so vielgepriesene Achtsamkeit und Wertschätzung in den Raum bringt, sind wir Trainer selber ein mächtiges Werkzeug. Denn jede bewusste und unbewusste Äußerung (dazu gehören neben der Körpersprache, den verbalen Hinweise auch so etwas wie Schmuck, Kleidung, Parfüm und vieles andere mehr, dass unsere Persönlichkeit unterstreicht) spiegelt das Selbstbild des Trainers wieder und hat eine Wirkung. Eine positive Grundeinstellung zum Menschen zum Beispiel liegt wie ein „roter Teppich“ unter allem und findet sich auch im Handeln und in der Sprache des Trainers wieder, auch wenn er dies selbst nicht bemerkt.

Umso wichtiger ist, uns der eigene Suggestionen, den förderlichen und den einengenden, bewusst zu werden. Das gelingt, indem wir unsere Wahrnehmung auf die in uns selbst ablaufenden oder von uns ausgehenden Suggestionen / Prozesse (Glaubenssätze und inneren Haltungen) wahrnehmen lernen und daran arbeiten. Dadurch wird uns selbst deutlich, wie glaubwürdig wir selbst wirklich zum Thema oder zu den Teilnehmern stehen.

Kurzum - die Dessuggestion ist wie ein roter Faden, der sich durch alle Ebene des Trainings zieht. Der Weg zum Suggestopäden oder zum Ausbildungstrainer ist von daher ein Weg, auf dem die Persönlichkeitsentwicklung des Trainers einen zentralen Stellenwert einnimmt. Und er endet nie!

Die Autorin:

Barbara Messer ist passionierte Trainerin, Speakerin und Autorin. Sie trainiert seit 1999 international und hat bisher mehr als zehn Bücher geschrieben. Sie ist langjährige Expertin für Train-the-Trainer Seminare, Trainerausbildungen, Suggestopädie-Ausbildungen, Chan­ge-Prozesse, Führungskräfteentwicklung, Moderation von Großgruppen, Tagungsgestaltung, Arbeit an der eigenen Krise und Resilienz, Marathon und die Passstrategie.

Barbara Messer
training & progress
Hirtenstraße 20
30974 Wennigsen
Tel. 05103 - 70 42 07
info@barbara-messer.de
www.barbara-messer.de

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