Dr. Constantin Sander

Bewegung im Kopf

Dr. Constantin Sander

„Ich denke, also bin ich” gilt als der Leitspruch der Aufklärung. Entsprechend konzentrieren wir uns seitdem auf kognitive Prozesse, wenn es darum geht Menschen dabei zu helfen, zu lernen und sich weiter zu entwickeln. Ist das wirklich schlau? Die moderne Neurobiologie hat dieses Weltbild erschüttert.

Vor einigen Jahren versetzte ein Buch mit dem Titel „Die Weiterbildungslüge“ die Branche in Aufruhr. Der Autor, Psychologe und selbst in der Branche tätig, stellte die scharfe These auf, das Weiterbildung zwecklos und Coaching wirkungslos sei. Menschen könnten sich durch Seminare und Trainings sowieso nicht ändern. Hat er recht? Wir werden darauf zurückkommen.

Szenenwechsel: Als Sigmund Freud seinen Abriss der Psychoanalyse schrieb, revolutionierte er das abendländische Weltbild durch seine Annahme der Existenz eines Es und eines Über-Ich neben dem Ich. Das war die Geburt des Unbewussten. Die Kunst der Therapie bestand darin, Unbewusstes ans Tageslicht zu befördern und zu sortieren. „Alles ziemlich unwissenschaftlich“ befand jedoch die akademische Psychologie des 20. Jahrhunderts und fokussierte mit dem Behaviorismus auf messbares Verhalten. Mit dem schwer erfassbaren Unbewussten hatte man es nicht so.

Den Begründern des NLP war dieser vermeintlich moderne Ansatz schon von Anfang an suspekt und daher entwickelten sie das Neurolinguistische Programmieren entlang des „Studiums subjektiver Erfahrung“, wie Robert Dilts das formuliert hat. Subjektives Erleben wurde zum Dreh- und Angelpunkt der Arbeit mit Menschen. Nicht das, was ist, sondern das, was Menschen wahrnehmen, schafft die Realitäten. Unsere sechs Sinne bilden die Repräsentationssysteme des Erlebens. Mit hypnotischen Sprachmustern kann man auch in die unbewussten Bereiche menschlicher Hirnaktivität vordringen, sie bearbeiten und verändern. Auch Körperwahrnehmung (kinästhetisches Erleben) wurde zu einem der Schlüssel für den Zugang zu non-verbalen Mustern. Wie sehr die Erfinder des NLP damit ihrer Zeit voraus waren, konnten sie damals nicht
ahnen.

Denn die sich infolge fortgeschrittener Analyseverfahren schnell entwickelnden Neurowissenschaften brachten die Idee des Unbewussten plötzlich wieder ins Bewusstsein der Wissenschaft. Und nicht nur das: Auch unser Körper und unsere Emotionen kamen in einem Bereich zu Ehren, wo man sie nicht vermutet hätte: bei der kognitiven Leistungsfähigkeit.

 
Der portugiesische Neurobiologe Antonio Damásio konnte bei Patienten mit entsprechenden Hirnschäden zeigen, dass ein Mangel an Körperempfinden mit einem Mangel kognitiver Leistungsfähigkeit einhergeht. Emotionale Intelligenz gewann so eine völlig neue Bedeutung: Intelligenz lässt sich gar nicht von Emotion und Körper trennen, denn unser Körper sei „die Bühne der Gefühle“, wie Damásio sagte. Mehr noch: Emotionen sind der Schlüssel zu unserer intuitiven Intelligenz. Sie sind gewissermaßen die Ampel des Unbewussten. Der Osnabrücker Psychologe Julius Kuhl spricht in seiner Persönlichkeitstheorie von einem Extensionsgedächtnis und er meint damit die zu einem mehrdimensionalen Ganzen vernetzten, integrierten Erfahrungen unseres Lebens. Dabei zählt nicht das einzelne Erleben, sondern die Emergenz verschiedenster Erfahrungen.

Weiterbildung ist zweck-los, wenn das Handeln mehr von unbewussten Prozessen gesteuert wird

Und unsere intuitive Handlungssteuerung, unser innerer Autopilot steuert häufig genug einen anderen Kurs als unsere bewussten Intentionen. Weil erstere vermeintlich schlauer ist. Sie blickt oft auf die in vielen Jahren generierte, unbewusste Erfahrung zurück, während unsere bewusste Erinnerung im Vergleich dazu eine recht geringe Reichweite entfaltet. Und genau darum ist Weiterbildung in vielen Fällen wirklich zwecklos – nämlich dann, wenn menschliches Handeln mehr von unbewussten Prozessen gesteuert wird.

Überall da, wo es um mehr als um die Vermittlung von Fachwissen geht, stößt klassische Weiterbildung schnell an ihre Grenzen. In Teamkonflikten, bei Motivationsmängeln, bei Verunsicherung infolge undurchsichtiger Changeprozesse verpufft die klassische Weiterbildung schnell. Selbst der Klassiker Zeitmanagement, der immer noch zum Instrumentarium effektiver Managementmethoden gezählt wird, entpuppt sich oft genug als Problem innerer Widerstände, Ängste und Motivationsdefizite. Der Hirnforscher Gerald Hüther sagte kürzlich auf der Didacta, dass wir eigentlich keine Personalentwicklung im Sinne der Förderung von Mitarbeitern bräuchten, sondern eher Manager, die es schaffen, ihre Mitarbeiter zu „erwecken“.

Wir brauchen Menschen, die es schaffen, Aufgaben als verstehbar, handhabbar und sinnhaft nahezubringen

Aber wie geht das? Was sind das für Manager und was braucht es für Trainer? Es braucht Menschen, die es schaffen, anderen die zu bewältigenden Aufgaben als verstehbar, handhabbar und sinnhaft nahezubringen. Das mindert die Ängste vor Veränderungsprozessen enorm. Es braucht aber vor allem Menschen, die Andere „anstecken“ und Leidenschaft wecken können. Die „Trickkiste“ dazu ist eigentlich so neu nicht:

  • Menschen bewegen: Raus aus dem bequemen Stuhl und Prozesse praktisch erfahren lassen. Denn Menschen lernen vor allem durch positive Bewältigungserfahrungen. Rollenspiele, Planspiele, Selbsterfahrung fördern. Dazu gehören auch Aufstellungsarbeit und die Arbeit mit Ankern aus dem NLP. Elemente der Erlebnispädagogik sind ebenso geeignet.
  • Innere Bilder auslösen. Assoziationen können ebenso wirksam sein wie reales Erleben. Denn Sie regen die gleichen Hirnregionen an. Packendes Storytelling und das gesamte Repertoire hypnotischer Sprachmuster und sogar Trance-Induktionen können hier zum Einsatz kommen. Letztere gehören zum festen Repertoire der hypnosystemischen Beratungsansätze, zu denen auch das NLP gehört. 
  • Authentizität zeigen und provozieren. Nicht die gute Show zählt, sondern das, was Menschen wirklich bewegt. Wer seine Trainings selbst „lebt“, der hat auch die beste Chance, seine Trainees mitzureißen. Mit Begeisterung lernt es sich immer besser. 

 

Um Menschen zu bewegen, müssen wir sie berühren

Kognitive Prozesse sind nur die äußere Schale unserer Hirnfunktionen. Über 90 % der neuronalen Prozesse in unserem Kopf sind unbewusst, im inneren verborgen. Wer die Köpfe von Menschen bewegen will, muss sie auch emotional erreichen können. Das gilt sowohl für gutes Management als auch für gute Trainings. Und auf diese Weise ist Weiterbildung alles andere als zwecklos. Im Gegenteil: Sie kann in Menschen Resonanz auslösen und Veränderungsprozesse anschieben.

 

Zum Autor:

Dr. Constantin Sander hat acht Jahre Forschung und neun Jahre Marketing und Vertrieb als Background. Er ist Business-Coach in Heidelberg. Sein Buch „Change! Bewegung im Kopf“, ist gerade in der zweite Auflage bei BusinessVillage erschienen.

Dr. Constantin Sander
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