gabriele krause bild130411 Dr. Gabriele Krause

Lernen, intuitiv richtig zu trainieren

Dr. Gabriele Krause

Trainerausbildungen sollten nicht nur die gängigen Kompetenzen vermitteln, sondern durch geeignete Qualifizierungselemente den Erwerb von Trainerexpertise unterstützen. Dr. Gabriele Krause erläutert, wie der Reifeprozess von Jungtrainern unterstützt werden kann.

Im Fokus der meisten Ausbildungsinstitute steht es, angehende Trainer zu befähigen, die relevanten Fach-, Selbst-, Sozial- und Methodenkompetenzen später situativ angemessen einsetzen zu können. Doch häufig reicht dies nicht, um später einen guten Job als Trainer zu machen. Die Befunde der Expertiseforschung belegen nämlich, dass Trainer in kritischen Entscheidungssituationen auf ihr implizites (unbewusstes) Wissen zurückgreifen, das aber gerade bei Trainernovizen „naiv“ geprägt ist und das auch auf falschen Annahmen basieren kann. Bleibt dieses implizite Wissen im Rahmen der Ausbildung und später im Kontext der beruflichen Erfahrungen unreflektiert, festigen sich diese Strukturen. Die Folge: Trainer stagnieren in ihrer Entwicklung, statt zum Profi-Trainer zu reifen.

Es empfiehlt sich daher im Rahmen einer Trainerausbildung, wie es etwa das Braunschweiger Trainingsmodell vorsieht, nicht nur Kompetenzen auf der Basis von Situationsanforderungen zu vermitteln, sondern das Denken in prototypischen Situationsklassen zu fördern (s. Kasten). Denn unter Zeitdruck versuchen wir Menschen, „die aktuelle Situation mit früheren Situationen in Bezug zu setzen und den Handlungsweg einzuschlagen, der sich in einer möglichst ähnlichen früheren Situation bewährt hat“ (Reimann & Rapp, 2008, S. 181).

Prototypische Situationsklassen führen durch den Dschungel der eigenen Kompetenzen

Sinnbildlich betrachtet, können prototypische Situationsklassen als Roadmap durch den Dschungel der eigenen Kompetenzen verstanden werden, denn sie ermöglichen schnelles, intuitives Handeln und unterstützen zudem explizites Denken in komplexen Situationen.
Vor allem Trainer-Novizen profitieren davon, da sie, anders als Experten, üblicherweise eher Oberflächenmerkmale einer Situation registrieren, wodurch es zu typischen Anfängerproblemen kommt. Äußern sich Teilnehmer zum Beispiel kritisch über die Praxisrelevanz von Rollenspielen, empfinden Jungtrainer dies meist als eine Bedrohung des Trainingsablaufs bzw. als Angriff auf ihre Autorität als Trainer (Störung im Ablauf = Oberfläche der Situation). Sie reagieren dann mit Überredungskünsten, machen Druck oder geben nach.

Für erfahrene Trainer (Experten) hingegen ist eine solche Situation eher ein Ausdruck von berechtigten Bedenken der Teilnehmer vor einer unbekannten Aufgabe. Auch Angst aufgrund schlechter Erfahrungen mit der Methode (Teilnehmerverhalten als Ausdruck dahinterliegender Ängste = Tiefenstruktur) kann der Hintergrund des Einwands sein. Entsprechend zeigen Routiniers Verständnis für die Teilnehmerbedenken, machen niedrigschwellige Angebote, zum Beispiel ist die ängstliche Person im ersten Rollenspiel Kameramann / -frau oder es wird nur der Einstieg in ein Gespräch geübt. Doch lassen sie in ihrer gesamten Haltung keinen Zweifel daran, dass alle Teilnehmer spielen werden, ohne dies direkt auszusprechen.

Prototypische Situationsklassen und beschreibende Merkmale

  • Selbstsicheres vs. unsicheres / aggressives Trainerverhalten
  • Differenzierung von direktivem Verhalten und Nondirektivität in der Trainingsleitung und wann welches Vorgehen angemessen ist
  • Umgang mit persönlichen Befindlichkeiten / Problemen von Teilnehmern
  • Umgang mit eigener Unsicherheit und wenig hilfreichen Selbstverbalisationen im Training
  • Verantwortung / Haltung als Trainer und Umsetzung eines humanistischen Menschenbildes im Trainerverhalten
  • Gestaltung eines förderlichen Arbeits- und Lernklimas
  • usw.

 

Um Trainer-Novizen die Möglichkeit zu geben, ihre impliziten, trainingsbezogenen Wissensstrukturen aufzubauen, empfiehlt es sich, den Teilnehmern Gelegenheiten für umfangreiche Praxiserfahrungen zu geben, die dem Ausbildungsstand angemessen komplex und subjektiv bedeutsam sind.

Schrittweise Einführung der prototypischen Situationsklassen

In der praktischen Umsetzung werden die prototypischen Situationsklassen schrittweise eingeführt und umgesetzt:

  1. Co-Trainings: Reflexion anhand von Beispielen / schwierigen Situationen, die die Co-Trainer aus ihren Trainings mit und ohne Videodokumentation mitbringen.
  2. Trainertraining: systematische Reflexion und praktisches Üben von Trainerverhalten.
  3. Intervisionsgruppe: eigenverantwortliche Arbeit in der Analyse von Rollenspielen und Reflexion von Trainingserfahrungen.
  4. Training unter Anleitung und Prüfungstraining: Videoanalyse und systematisches Arbeiten mit den Situationsklassen in der Supervision durch die Lehrtrainer.

Zu empfehlen ist, dass die Teilnehmer ihre Trainerausbildung am Beispiel eines konkreten Trainingsprogramms absolvieren. Das heißt, dass sie als Co-Trainer ein und dasselbe Training mit verschiedenen Zielgruppen und Trainern durchlaufen. Sie erleben dasselbe Programm und dieselben Methoden wiederholt als Kontext, vor dessen Hintergrund ein Zugang zu den Tiefenstrukturen der Situation mit zunehmender Erfahrung erleichtert werden dürfte.

Lernen, die aktuelle Situation mit einem verfügbaren Prototypen in Verbindung zu bringen

Darüber hinaus schauen sie in verschiedenen gemeinsamen Ausbildungsteilen (Trainingstheorie, Trainertraining, Intervisionsgruppe) über den Tellerrand des eigenen Trainingsprofils und lernen Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Trainings kennen. So ist beispielsweise die Frage von Direktivität vs. Non-Direktivität im Führungsverhalten relevant für alle Trainingsprofile. In der Art der Umsetzung macht es jedoch einen Unterschied, ob ich ein klar strukturiertes, verhaltenstheoretisch orientiertes Training leite oder ein gruppendynamisches Training.

Obligatorische Videofeedbacks ermöglichen es, gezielte Reflexionsprozesse zu initiieren, um Wissensanteile sichtbar und somit veränderbar zu machen. Ausgangpunkt ist immer das beobachtete Verhalten von Trainer und Teilnehmern, dessen kurz- und langfristige Wirkungen auf den Trainingsverlauf sowie die individuellen Lernangebote für die Teilnehmer. Mit der Zeit fällt es ihnen dadurch selbst in schwierigen Konstellationen leichter, spontan richtig zu handeln, weil sie die aktuelle Situation mit einem in ihrem impliziten Wissen verfügbaren Prototypen in Verbindung bringen konnten.

Literatur

  • Krause, G. (im Druck). Jenseits des Elfenbeinturms - Oder wie bekommt man Durchblick im Dschungel der Trainerkompetenzen? in B. Jürgens & G. Krause (Eds.) Professionalisierung durch Trainings. Shaker Verlag
  • Krause, G. (2012). Ausbildungssupervision im Fokus der Expertiseforschung. Organisationsentwicklung, Supervision, Coaching, 2, 205-215, DOI: 10.10 07/s11613-0120276-y.
  • Krause, G. (2009). Das Braunschweiger Trainingsmodell - „next generation“. in B. Jürgens & G. Krause (Eds.), Berichte aus der Psychologie. Pädagogische Kompetenz trainieren. (pp. 29–46). Shaker Verlag
  • Reimann, P. & Rapp, A. (2008). Expertiseerwerb. In A. Renkl (Hrsg.), Lehrbuch Pädagogische Psychologie (S. 155-197). Hans Huber Verlag, Bern

Die Autorin:

Dr. Gabriele Krause, Diplom-Psychologin, Supervisorin (BdP), wissenschaftliche Mitarbeiterin an der TU Braunschweig, Lehrtrainerin und Leitung beim Braunschweiger Trainingsmodell am Institut für Pädagogische Psychologie, seit vielen Jahren freiberuflich als Trainerin und Beraterin in den Bereichen Wirtschaft, Bildung und Verwaltung tätig, seit 2007 Leitung des Zentrums für Personalentwicklung und Prozessbegleitung in der Innovationsgesellschaft TU Braunschweig mbH.

Dr. Gabriele Krause
Technische Universität Braunschweig
Institut für Pädagogische Psychologie
Bienroder Weg 82, D-38106 Braunschweig
Tel. 0531 - 391 94018
g.krause@tu-bs.de, www.tu-bs.de

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