Jürgen Graf Jürgen Graf

Trendanalyse

Bye-bye, Deckungsbeitrag

Jürgen Graf

 

An das stetige wie schnelle Auf und Ab der Auftragslage hat sich die Weiterbildungsbranche inzwischen gewöhnt. Weitaus größere Sorge bereitet vielen Trainern und Instituten indes der Preisverfall ihrer Dienstleistung – ganz unabhängig von der konjunkturellen Situation.

Effektive Trainingsmaßnahmen und nachhaltigen Lerntransfer wünschen sich Weiterbildungsanbieter wie Auftraggeber. Doch in der Zusammenarbeit bleibt dieses Anliegen häufig auf der Strecke, man setzt auf „Business as usual”. Entwicklungsplanung”, „die Interessenten entscheiden sich sehr, sehr kurzfristig für die Teilnahme an einem Seminar”, „Planungen werden deutlich hektischer, alles soll sofort passieren, obwohl dann die konkrete Terminplanung tatsächlich nicht schneller funktioniert – viel Wind, viel druckvolles Getue” – so lauten einige typische O-Töne aus der Befragung.

Abb. 1: Entwicklung der Auftragslage

Die Auftragslage der Weiterbildungsbranche ist ein Spiegelbild dieses grassierenden PE-Aktionsmus’ in Unternehmen und erinnert nicht von ungefähr an das Auf und Ab der Börsenkurse (siehe Abb. 1). Gegenwärtig profitiert allerdings auch die Weiterbildungsbranche von der guten wirtschaftlichen Situation in Deutschland. Der Aufwärtstrend aus 2010 setzte sich nahtlos fort, viele Betriebe holten in Sachen Weiterbildung das nach, was dem Konjunktureinbruch 2008/2009 zum Opfer gefallen war. Die Folge: 53 Prozent konnten für das Jahr 2011 steigende Auftrags­zahlen verzeichnen (Vorjahr: 43 Prozent), lediglich jeder fünfte Weiterbildungsanbieter musste einen Rückgang der Aufträge hinnehmen (Vorjahr: 33 Prozent).

Maximal Tagesseminare – oder lieber noch kürzer!

In die Freude über ein überwiegend gutes Geschäftsjahr mischen sich indes viele kritische Statements über die zunehmend schwierigeren Rahmenbedingungen der Arbeit. Problematisch für die Branche sind dabei nicht nur die immer kürzeren Planungshorizonte der Auftraggeber. Auch die Maßnahmen selbst unterliegen der Maßgabe, vor allem eins zu sein: kurz – oder noch kürzer.

 

Abb. 2: Dauer der Seminarveranstaltungen aus Sicht der Trainer

Lediglich knappe sechs Prozent der befragten Weiterbildungsanbieter stellen eine Erhöhung der Seminar- und Trainingszeiten fest, rund 30 Prozent beobachten hingegen eine weitere Verkürzung der Seminardauer. Wie sich dieser Trend in der Praxis niederschlägt, belegen eindrucksvoll Zitate aus früheren Befragungen: „Was früher ein Fünf-Tages-Training war, soll heute ein Drei-Tages-Training sein”, konstatierte vor drei Jahren eine Trainerin. „Das Verkürzen der Seminarzeit von zwei Tagen auf einen” beobachtet eine Trainerin in der aktuellen Befragung. Und ein anderer kommt inzwischen sogar zu der Feststellung: „Weniger Tagesseminare, dafür kleinere Einheiten.” Nach unten scheint also immer noch Luft zu sein. Bereits 41 Prozent der von Trainern durchgeführten Seminare sind auf maximal einen Tag angesetzt. Lediglich jede vierte Maßnahme beansprucht noch drei oder mehr Tage (siehe Abb. 2). Die betriebliche Weiterbildung orientiert sich eben mehr an betriebswirtschaftlichen und organisationalen Notwendigkeiten und weniger an didaktischen Erfordernissen und konkreten Lernzielen.

Der Preisbrecher ist der Maßstab

Für die Weiterbildungsanbieter ist es vor diesem Hintergrund alles andere als leicht, den Beweis anzutreten, dass sie Qualität liefern und sich
diese Qualität auch langfristig rechnet. Der Wettbewerb wird vielmehr allein über den Preis geführt, was vor allem die großen Unternehmen für sich zu nutzen wissen. Schließlich haben sie besonders attraktive Auftragsvolumina zu vergeben und außerdem die logistischen und zeitlichen Möglichkeiten, um den Markt zu sondieren. „Die Personalentwickler in Unternehmen fahren einen extrem wettbewerbsorientierten Stil: knallharte Verhandlungsführung und Zuschlag für billig statt Qualifikation des Trainers bzw. Beraters betrachtend” – so erlebt eine Trainerin das Auswahlverfahren bei Auftraggebern. Auch wenn es öffentlich keiner gerne ausspricht: Selbst etablierte Weiterbildungsanbieter, die es eigentlich für überwunden hielten, mit den Kunden über ihre Tagessätze zu verhandeln, können sich diesem Preisverfall nicht entziehen.

Ein Institutsleiter macht aus seiner Frustration kein Geheimnis: „Früher wollte man Führungskräfte noch von Leuten weiterbilden lassen, die selbst ‚gestanden’ und ‚ebenbürtig’ waren. Beim heutigen Preisdruck ist Weiterbildung als Job fast nur noch für Leute interessant, die sonst kaum Chancen in der Wirtschaft hätten. Das schlägt sich auch in der Qualität massiv nieder - der Kunde bekommt immer häufiger, was er bezahlt: Schrott!”

Der Preisbrecher unter den Weiterbildungsanbietern ist leider häufig der Maßstab, an dem angefragte Trainer und Institute ihr eigenes Preis-Leistungs-Niveau erklären respektive recht­fertigen müssen. Das erfordert von Weiter­bildungsanbietern mehr denn je Standing beim Auftraggeber und eine klare Positionierung der eigenen Dienstleistung. Denn die Entwicklung ist absehbar, so ein befragter Trainer: „Der Markt teilt sich auf in oben und unten.”

Literatur-Tipp:

Jürgen Graf (Hrsg.)

Das Jahrbuch der Management-Weiterbildung 2012

272 Seiten, 39,90 Euro

Infos unter: www.managerseminare.de/tb/tb-8924

 

Jürgen Graf, Jg. 1966, arbeitet seit 1990 als Redakteur und Lektor bei der managerSeminare Verlags GmbH, Bonn, und ist Herausgeber des Jahrbuchs „Seminare” sowie Autor der „Weiterbildungsszene Deutschland”.

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