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Dann führen wir mal Werte ein ...

Ralf Besser

In diesem Beitrag geht es um die Praxis und eine konstruktiv-kritische Betrachtung der Leitbilder und neue innovative Ansätze der Werteorientierung in Unternehmen. Wie lässt sich ein Unternehmen werteorientiert ausrichten? Der Schwerpunkt liegt also nicht auf der förderlichen Wirkung von Werten in Organisationen, sondern auf dem Prozess, mit Werten im Unternehmen umzugehen.

Vorab: Vier wichtige Aspekte

Paradoxer Prozess

Werte in einem Unternehmen einzuführen ist ein hochsensibler Prozess und darüber hinaus sogar paradox. Paradox, weil jedes Unternehmen bereits Werte hat, die aber in der Regel unreflektiert sind. So trifft die Absicht, Werte einzuführen, sofort auf diesen Widerspruch. Werte lassen sich nicht einführen oder verordnen. Werte lassen sich nur aus den vorhandenen Werten weiterentwickeln. Es gibt keine wertefreien Zonen. Als Erstes wird also eine möglichst widerspruchsfreie Sprache rund um das Thema Werte benötigt.

Sinnhaftigkeit von Werten

Ein weiterer sensibler Punkt ist die Sinnhaftigkeit von Werten. Werte sind so etwas wie Grundprinzipien, die uns Menschen Sinn und Orientierung geben. Und diesen Sinn definiert jeder aus seinen eigenen Lebenserfahrungen heraus. Der Sinn – und damit letztendlich die Werte – lässt sich für andere daher nicht definieren. Er kann nur persönlich entdeckt oder entwickelt werden.

Werte leben 

Ein weiterer kritischer Faktor besteht in der Tatsache, dass Werte nicht hundertprozentig vor-, beziehungsweise gelebt werden können. Sie können zwar leitgebend sein, kommen aber immer wieder mit anderen Werten in Konflikt. Beginnt ein Unternehmen sich an Werten auszurichten, so wird es grundsätzlich nicht leichter, sondern komplizierter. Komplizierter, weil die Themen in einem Unternehmen transparenter und besprechbarer werden.

Neben den vielen spannungsgeladenen Themen kommen somit noch Wertekonflikte hinzu, die eine andere Strategie für eine Lösung benötigen. Und darin liegt auch der Grund verborgen, warum Werteleitbilder so schnell kritisch von den Mitarbeitenden diskutiert werden. Auch der noch so vorbildhafte Manager wird sich in bestimmten Situationen aufgrund der Wertekonflikte nicht zum Leitbild kongruent verhalten. Und das eröffnet Mitarbeitern, die den Diskurs um die Werteleitbilder kritisch sehen, sofort eine Möglichkeit „Gegenbeweise“ zu entdecken und zu verstärken.

Vier kritische Beispiele aus der gängigen Praxis

Auch im Detail werden in Unternehmen viele »Fehler« rund um das Thema Werte – meistens unüberlegt – begangen.

Beispiel 1: Glaubwürdigkeit

Ein Unternehmen entschied sich mit der Unterstützung eines Unternehmensberaters für die Entwicklung eines Leitbilds. In mehreren Workshops wurden mit einer besonders ausgewählten Teilnehmergruppe fünf zentrale Werte herausgearbeitet. Unter anderem der Wert „Glaubwürdigkeit“. Dieser Entwicklungsprozess verlief in einer „verdeckten“ Form, das heißt, dass die Mitarbeiter im Unternehmen davon nicht in Kenntnis gesetzt wurden, nur die Entwicklungsgruppe war eingeweiht.

Dahinter steht der klassische Ansatz, hierarchisch zu denken und zu handeln. Bereits diese Strategie ist für eine „glaubwürdige“ Art und Weise, mit Werten umzugehen, sehr kritisch zu sehen. Der Unternehmensberatung wurde das wahrscheinlich bewusst und sie entschieden sich daher für einen Weg, das Werteleitbild behutsam einzuführen. Sie empfahlen dem Unternehmen jedenfalls, die bereits entwickelten Werte nicht sofort bekanntzugeben, sondern eine Plakataktion zu starten, warum Werte und damit ein Werteleitbild grundsätzlich wichtig sind. Zu einem späteren Zeitpunkt sollten die Werte dann bekannt gegeben werden.

Offenbar machte sich die Unternehmensberatung keine Gedanken darüber, welche Werte im „Ausrollprozess“ des Werteleitbildes integriert sind. Hätten sich die Beteiligten diese Reflexionsfrage gestellt und in der Arbeit selbst bestimmte Werte als leitgebend erachtet, wäre ihnen bewusst geworden, dass sie den Wert „Glaubwürdigkeit“ konterkarierten. Indem die bereits herausgearbeiteten Werte im Ausrollprozess nicht von vornherein veröffentlicht wurden, wurde der Wert der „Glaubwürdigkeit“ bereits verletzt.

Vor kurzem traf ich eine Mitarbeiterin in diesem Unternehmen und erfuhr, dass mittlerweile keiner mehr von dem Werteleitbild spricht. Es ist sozusagen still-schweigend ausgelaufen.

Beispiel 2: Delegation

In einem anderen Unternehmen wurden die in Arbeitsgruppen herausgearbeiteten und transparent veröffentlichten Werte an bestimmte Führungskräfte delegiert, die sich um die Umsetzung besonders kümmern sollten.

Auch in diesem Vorgehen steckt ein kardinaler Fehler im Umgang mit dem Wertethema. Die Strategie des hierarchischen Vorgehens, das in vielen Situationen sinnvoll ist, wurde in diesem Fall unreflektiert auf das Thema Werte übertragen. Ein kritisches Vorgehen, weil Werte nicht delegiert werden können und immer ein „paralleles“ Thema sind: Jeder ist bei Werten in seinem Verhalten ein Vorbild und damit grundsätzlich gleich wichtig. Was nicht bedeutet, dass ein Werteprozess nicht von oben gewollt ist. Kurzum: Werte können nicht delegiert werden.

Beispiel 3: Entwicklungszeit

In einem anderen Konzern wechselt das Werteleitbild mit jedem neuen Topmanager.

Eine Werteentwicklung benötigt Jahre der Kontinuität. Auch hier öffnen sich aus der Mitarbeiterebene Inkongruenzen.

Beispiel 4: Spannung

In einer sozialen Einrichtung wurden die drei zentralen Kernwerte „Toleranz“, „Offenheit“ und „Vielfalt“ definiert.

Drei Werte, die sich dermaßen ähneln, dass kaum eine förderliche Spannung in der Werteentwicklung entstehen kann. Da im Unternehmensalltag grundsätzlich immer wieder Wertekonflikte entstehen und die Lösung dieser Herausforderung erst eine glaubwürdige Auseinandersetzung fördert, ist zu viel Harmonie in der Wertebeschreibung nicht sinnvoll.

Im nächsten TrainerJournal geht es um neue Ansätze mit dem Thema Werte in Unternehmen umzugehen.

Literaturtipp

ralf-besser-170315

Der Artikel ist ein Auszug des Beitrags von Ralf Besser im Buch „Vision - Mission – Werte. Die Basis der Leitbild- und Strategieentwicklung“, Dagmar Werther (Hrsg.), Beltz Verlag 2015, 322 Seiten, ISBN 978-3-407-36584-2, 39,95 EURO 

Der Autor: Ralf Besser, Dipl.-Ing.

Prozessbegleiter in Unternehmen - auf der Suche nach Wirksamkeit: Menschen für sich und für das Unternehmen bewegen. Veröffentlichungen: „Interventionen, die etwas bewegen“ im BELTZ-Verlag, „Das Gehirn“, „Neurodidaktik“, „Lernen im Alter – wie sich das Gehirn verändert“, „Personalentwicklung im Spiegel der Hirnforschung“ „Transfer-Evaluation“ im Verlag ‚besser wie gut‘

Kontakt:
besser wie gut GmbH
Beratung-Training-Tagungshaus
Dipl.-Ing. Ralf Besser
Upper Borg 147, D-28357 Bremen
Tel. 0421-275840, Fax 0421-2769040
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