Problemlösungsprozesse initiieren: Gestaltung reflexiver Kommunikationen
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- Kategorie: Kommunikation
Problemlösungsprozesse initiieren
Gestaltung reflexiver Kommunikationen
Prof. Dr. Falko E. P. Wilms
Ausgangspunkt
Abb. 1: Die drei Schlüsselkategorien Umwelt, Organisation und Management im aktuellen St. Galler Management-Modell |
Der aktuelle Stand des St. Galler Management-Modells der 4. Generation wurde in seiner zweiten, vollständig überarbeiteten und grundlegend weiterentwickelten Auflage von 2015 konsequent auf einer kommunikationszentrierten Perspektive aufgebaut.
Dieses Management-Modell liefert, als Arbeitsinstrument und Reflexionshilfe der vertieften Auseinandersetzung mit Aufgaben und Funktionen des Managements, wertvolle Hilfestellungen. Daher ist es in akademischen Lehrangeboten, in Aus- und Weiterbildung von Nachwuchsführungskräften sowie in freien Workshops in der betrieblichen Praxis anwendbar.
Die Schlüsselkategorien des Modells
Das Modell besteht aus den drei aufeinander verweisenden Schlüsselkategorien Umwelt, Organisation und Management. Jede dieser Kategorien ist stets zusammen mit den anderen beiden Kategorien zu bedenken. Es gilt grundsätzlich:
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Umwelt ist, was für das Management bzw. die Manager hinsichtlich der von ihnen zu verantwortenden Wertschöpfung der Organisation kommunikativ bedeutsam ist.2
Organisation ist, was in interaktiven und iterativen Kommunikationsprozessen die arbeitsteilige Wertschöpfung für die relevante Umwelt definiert und koordiniert („verfertigt“).3
Management ist, was einer reflexiven, kommunikativen Gestaltung und Weiterentwicklung der dynamischen Wertschöpfung und damit der Zukunft der Organisation dient.4
Das St. Galler Management-Modell sieht seine zentralen Komponenten also konsequent als kommunikatives Geschehen an (siehe Abb. 1). Daher wird die Gestaltung von Strukturen und Prozessen der Kommunikation als grundlegende, bedeutsame Managementaufgabe angesehen.5
Kommunikative Perspektive
Die wesentliche Annahme hinter der kommunikativen Perspektive im St. Galler Management-Modell lautet: Nur das, was in die organisationsinterne Kommunikation der Prozessbeteiligten eingeht, kann bei vertrauensbildenden Maßnahmen und beim Zeigen der eigenen Vertrauenswürdigkeit und / oder bei der Gestaltung und Weiterentwicklung von (verteilten) Wertschöpfungsprozessen wirksam werden.
Jedes gemeinsame Verständnis eines (problematischen) Ausschnittes der Welt entlang eines zeitlich und / oder örtlich verteilten Wertschöpfungsprozesses ist insofern immer ein Resultat eines kommunikativen Aushandlungsprozesses der direkt Beteiligten (Sensemaking6). Damit halten die Akteure einen tragfähigen (Gedanken-)Kontakt zur ihrer Organisation(seinheit) und deren Verständnis von der zu verantwortenden Wertschöpfung und den ineinandergreifenden Arbeitspaketen.
Ohne die Teilnahme an gemeinsamen reflexiven Kommunikationsprozessen des Aufbaus von Verständnis bzw. der Zuordnung von Bedeutung bricht dieser Kontakt ab. Der einzelne Beteiligte ist dann allein auf sein individuelles Denkmuster angewiesen, wodurch das Ableiten von übergreifenden Handlungsmöglichkeiten stark beeinträchtigt wird.
Reflexive Kommunikationsprozesse
Aus dem entfalteten Gedankengang ergibt sich also, dass die Möglichkeiten der Steuerung arbeitsteiliger (verteilter) Wertschöpfungsprozesse in hohem Maße geprägt wird von der Kompetenz zur Gestaltung funktionstüchtiger Formen, Strukturen, Prozessen, Plattformen und Kontexten von reflexiven Kommunikationsprozessen, mit denen übergreifende Denk-, Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten erarbeitet („verfertigt“) werden.
Daher ist es von kaum zu überschätzender Bedeutung, reflexive Kommunikationsprozesse z. B. in Meetings oder in Workshops zu gestalten7, um nachhaltig wirksame Ergebnisse und Entscheidungen mit hoher Akzeptanz zu erzielen.
Bei der Gestaltung reflexiver Kommunikationsprozesse (Abb. 2) geht es darum, dass die Personen miteinander in Kontakt kommen (contact), um eine Vertrauensbasis zu legen. Danach sind sachliche, zeitliche und budgetäre Rahmenbedingungen (context) darzulegen und eine Erwartungsklärung der Teilnehmenden vorzunehmen. Erst danach kann eine sachinhaltliche Bearbeitung der anstehenden Problematik (content) beginnen. Abschließend sind aus den Arbeitsergebnissen konkrete Arbeitspakete und Verantwortlichkeiten abzuleiten und Personen zuzuordnen. Am Ende sind diesbezüglich verbindliche persönliche Selbstverpflichtungen (commitments) zu treffen, wozu es unbedingt die Wirkung der anfangs gelegten Vertrauensbasis bedarf. Sie verbindet die Beteiligten miteinander zu einer Gemeinschaft, die wertschätzend miteinander umgeht.
Fazit
In verteilten Wertschöpfungsprozessen ist es besonders bedeutsam, dass die Prozessbeteiligten ein gemeinsames Verständnis der Dinge erarbeiten und pflegen können. Hilfreich dazu sind reflexive Kommunikationsprozesse mit den Arbeitsphasen Kontaktaufnahme (contact), Klärung des sachlichen, zeitlichen und budgetären Rahmens (context), Problembearbeitung (content) und Treffen von verbindlichen, persönlichen Selbstverpflichtungen (commitments).
Der Autor: Prof. Dr. Falko E. P. Wilms
arbeitet als Trainer, Dialogbegleiter, Berater & Hochschullehrer. Er leitet das Competence Center of Communication & Collaboration an der FH Vorarlberg in Dornbirn, Österreich.
Das podcast über die Vermeidung des Kategorienfehles finden Sie unter:
https://www.youtube.com/watch?v=7IacpegbkRk
1 Vgl.: Rüegg-Stürm, J./Grand, S.: Das St. Galler Management-Modell, 2. vollst. überarb. u. grundl. weiterentw. Aufl, Bern 2015, S. 42.
2 Vgl.: Rüegg-Stürm, J./Grand, S., a. a. O., S. 64f.
3 Vgl.: Rüegg-Stürm, J./Grand, S., a. a. O., S. 125f.
4 Vgl.: Rüegg-Stürm, J./Grand, S., a. a. O., S. 118f.
5 Vgl.: Rüegg-Stürm, J./Grand, S., a. a. O., S. 1.
6 Vgl.: Rüegg-Stürm, J./Grand, S., a. a. O., S. 45
7 Vgl.: Rüegg-Stürm, J./Grand, S., a. a. O., S. 211